Barockes Feuer mit Ansage

■ Kampnagelsaisoneröffnung mit Kain Karawahns „feuerfrei“

Mit vielen feurigen Wortspielen und der pyromantischen Inszenierung feuerfrei von Kain Karawahn feierte Kampnagel am Donnerstagabend den Saisonbeginn. Und der Berliner Feuerkünstler zog alle Register: Weltschöpfungsdrama und Politspektakel, Liebe und Krieg, Volksmusik und Popmusik, Märchen und Literatur, nackte Haut und Videoprojektion, Bomben und Blasmusik, Punk und die Farben der Bundesflagge in Asche, Glut und Flamme.

Doch die Fülle ist auch die Falle. Schon vor Beginn wurde alles erklärt, und dann kamen die Überraschungen wie auf einem großen Kindergeburtstag. Was reitet Kain Karawahn nur, alle Dimensionen seines Themas gleichzeitig auszuspielen? Seit zwölf Jahren arbeitet der Künstler mit Feuerinszenierungen, warum hat er so wenig Vertrauen in die selbstverständliche Macht seines Materials, daß er den Betrachter mit all dessen pyrophiler Vergangenheit weder mit volksschulhafter Belehrung noch mit Klamotte verschont und dazwischen literarische Zitate träufelt?

Am mythischen Beginn kurven feurige Kometen durch den Raum und beweisen: Karawahn beherrscht das Feuer und vermag mit ihm durchaus schöne Bilder im vom ihm selbst gewählten Vergleich zu den einzigartigen Feuer-inszenierungen der barocken Fürsten zu geben. Aber eine Folge von guten Performances macht noch kein abendfüllendes Stück, und ein versessener Künstler ist nicht automatisch ein guter Regisseur.

1989 zündelte Karawahn an der Berliner Mauer und durfte sich so für einen Augenblick im Einklang mit dem Geist der Geschichte wissen, doch heute scheinen auch COAX-Tänzerin Rica Blunck, Blixa Bargeld und „Medienhengst“ Käthe Be keine Sinnstruktur in das Feuerspiel bringen zu können. Es bleibt von des Reiches Hafen aus gesehen ein gutes Beispiel für die Kunst der Hauptstadt: ein oberflächlich verquirltes Amüsement auf der Baustelle. Star des Abends und Garant für die gute Laune auf dem anschließenden Fest war das Musikkorps der Freiwilligen Feuerwehr Bramfeld. Und das ist doch auch eine überraschende Entdeckung zum Thema befeuernder deutscher Kontinuitäten.

Hajo Schiff