Vertrocknende Seelen

■ Tschechows Drei Schwestern haben Samstag im Schauspielhaus Premiere

„Es gibt in dem Stück keine Helden mehr.“ Das rückt Tschechows Rußland der Jahrhundertwende, so die Mascha-Darstellerin Elke Lang, nah an die heutige Zeit. Die Rede ist von den Drei Schwestern, ein Vier-Akter um unerfüllte Sehnsüchte und verwelkende Leidenschaften, in dem Frauen wie Männer gleichermaßen in einer abgelegenen russischen Garnisonsstadt seelisch vertrocknen. Am 23. September hat die Inszenierung von Harald Clemen im Deutschen Schauspielhaus Premiere, die erste in der neuen Spielzeit.

Mit der Entscheidung, das Drama um das sinnentleerte Dasein der drei Frauen – gespielt von Ilse Ritter (Olga), Elke Lang (Mascha) und Ulrike Grote (Irina) – in den Spielplan aufzunehmen, erfüllen Intendant Frank Baumbauer und Dramaturg Wilfried Schulz einen „Herzenswunsch“ des Regisseurs.

Das Ensemblestück mit seinen vielfältigen Verflechtungen zu inszenieren, empfindet Harald Clemen als faszinierend: „Tschechows Doppelsicht auf Menschen ist furchtbar objektiv, erbarmungslos und gleichzeitig bleibt er Menschenlieber.“

Zehn Jahre sind seit Peter Steins legendärer Rekonstruktion der Tschechowschen Uraufführung aus dem Jahre 1901 an der Berliner Schaubühne vergangen. Kein Grund auf andere Ansätze künftig zu verzichten, so die einhellige Meinung aller Beteiligten. Für Dramaturg Wilfried Schulz stellt seine Bewunderung für Steins Arbeit kein Paradigma dar, von dem man sich nicht lösen könne.

Ebensowenig sei der Stoff ein reines Frauenstück, allein weil es in einem Frauenhaushalt spiele und die Berufstätigkeit von Frauen thematisiere. „Unsere Inszenierung wird das Ritualisierte der Gesellschaft am Rande lassen“, verspricht Schulz. Zugleich wolle man möglichst nah an Zeit und Stück bleiben. Schwierigkeiten sieht Schulz bei solchen Aspekten, die mit heutigen Zuständen kaum zu vergleichen seien, wie beispielsweise der Bedeutung der Militärs. „Damals waren die Militärs junge, gebildete Männer.“

Ein „Mutanfall“, so Harald Clemen, habe ihn veranlaßt, die Inszenierung der „Drei Schwestern“ anzugehen. Bescheiden umreißt er die Aktualität des Stoffes: „Es berührt uns mit eigenen Hoffnungen und Enttäuschungen, hat die Form eines Lebensberichtes.“ Selbst wenige Tage vor der Premiere vermag er nur ins „Unreine“ über seine Arbeit zu reden.

Ute Brandenburger 23., 26. und 28.9., jeweils um 19.30 Uhr, Deutsches Schauspielhaus