Sein Prinzip Hoffnung: echter Sozialismus

Peter Weiss, geboren 1916 in Nowawes, emigrierte mit seiner Familie 1934 nach London, später in die Tschechoslowakei, 1939 in sein späteres Heimatland Schweden. Dort avancierte er zunächst als Maler und Filmemacher, ehe er zu einem der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller der Nachkriegszeit wurde. Seine ersten beiden Romane waren Auseinandersetzungen mit den Themen Heimat und Exil: Abschied von den Eltern und Fluchtpunkt.

1982 starb er in Stockholm – kurz nachdem er sein Hauptwerk vollendet hatte: Die Ästhetik des Widerstands, eine dreibändige, mehr als tausendseitige Erzählung, bündelt das tragische Denken Weiss': Das Buch erzählt, beginnend in Deutschland unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die Passionsgeschichte von jungen Kommunisten, die, angetreten, eine humane, nichtkapitalistische Gesellschaft zu erkämpfen, erkennen müssen, daß selbst die eigenen Genossen nicht besser handelten als die braunen Feinde – nicht in der Emigration, nicht im Spanischen Bürgerkrieg.

Das Buch wurde im linken Lager, das es damals in hermetischer Weise noch gab, eher ignoriert – in der DDR waren Weiss' Bücher nur als Bückware erhältlich – allzu sehr hatte es wohl die Freund-und-Feind-Linien verletzt. Als Testament wurde es nicht mehr angenommen: 1982 existierten nur noch Reste der Linken, zu der Weiss seit Beginn seines politischen Engagements immer gehören wollte.

Bis zu seinem Tod machte der Deutschschwede eine Literatur- und Theaterkarriere wie keiner sonst während der Nachkriegszeit – preisgekrönt und ehrüberhäuft. Theaterstücke wie Die Ermittlung (über die ersten bundesdeutschen Auschwitz-Prozesse), Vietnam- Diskurs (gegen den US-Imperialismus) oder Marat/de Sade thematisierten die Konflikte, die auch die Achtundsechzigergeneration begierig zu erörtern fordert: das deutsche Trauma Nationalsozialismus, Fragen der sozialistischen Alternativen, die Verrohungen der Linken durch die Moskauer Regimes, die Knechtung der Dritten Welt.

Weiss verzichtete stets auf politische Festlegungen: Liebeswerben der SED gab er ebensowenig nach wie Wünschen von bundesdeutschen Sozialisten nach Parteinahme. Auf die Frage, welchen Teil Deutschlands er bevorzuge, meinte er: „Dieser ganze nationalistische Rummel, diese Überdeterminierung des Deutschen, hängt mir zum Hals raus.“ Und: „Diese Konzentrierung auf das Nationale schraubt die Entwicklung zurück, wir geraten in die Netze des Provinzialismus, des Philistertums.“

In öffentlichen Diskussionen, konfrontiert mit Opferbilanzen des Stalinismus und des real existierenden Sozialismus der Nachkriegszeit, zeigte sich Weiss unbeirrbar: „Mein Bild des Sozialismus/ Kommunismus kann nie geprägt werden von denen, die von ihren Machtpositionen aus die Richtlinien geben, sondern immer nur aus der Perspektive derer, die sich ganz unten befinden.“ Diese unerschütterliche, also religiöse Haltung unterschied Weiss immer von durch den Stalinismus geschundenen und einst selbst sozialistischen Autoren wie Arthur Koestler, Manès Sperber oder George Orwell. Jan Feddersen