Kriegsgebiet Liebe

■ Vorschau und Hymne: Am 14. März spielen die Hamburger „Blumfeld“ im Modernes

Manchmal stehen ganz besonders nette Dinge in der taz. Zum Beispiel vom Sport-Kollegen Peter Unfried über das 0 : 3-Debakel der deutschen Fußballnationalmannschaft ausgerechnet gegen die UShAhA im vergangenen Monat: „Nach zwei durchgeweinten Nächten fühlt man sich ... noch kaum besser. Blumfeld („Tausend Tränen tief“) gehört. Dann Anruf von Mutti („Diese Flaschen“). Sofort aufgelegt. Kann vielleicht über Blumfeld reden ...“ Dieser letzte Satz ist eine freie Variation über Blumfelds vielzitiertes, gehaßtes, verehrtes „Laß uns nicht über Sex reden. Ich weiß gar nicht wie das geht, sich vereinigen ...“ Die dazugehörige Gedankensequenz von Unfried ist als ironisch zu bezeichnen.

Aha, das haben Sie auch selbst gemerkt. Sie vielleicht. Aber die vier Jungs von Blumfeld würden dies auch unter Einsatz eines Konzerts von tausend Lachsäcken nicht begreifen. Die Leichtigkeit von Ironie ist ihnen nämlich genauso wesensfremd wie eine Marskuh. Ihr Thema ist die „Schuld und Angst im Kopf“. Hat Sänger Jochen Distelmeyer seine kleine Schwester ertränkt? Nein, das Verbrechen des lyrischen Ich: Es ist ein Liebeskrüppel. Seit 1992 humpelt der nun mal melancholisch, mal verzweifelt über deutsche Bühnen – und wird geliebt.

„Meine Endomorphinproduktion hat alles verlernt. Da hilft auch kein Erinnern mehr.“ Und dabei möchte er sich doch so gerne ins Hirngewinde der Geliebten hineinbeamen: „Ich schau dir zu, was du im Traum wohl erlebst, ob du wohl über oder unter den grünen Wolken schwebst.“ Aber Glück ist nur ein Irrtum, und der verkrümelt sich nach ein paar Sekunden: „Was bleibt, ist eine Kraterlandschaft, die Tonnen wiegt, für den, der unten liegt.“ Wolken, Traum, das, was bleibt ...

Angst vor peinlichen Worten kennt Blumfeld nicht. Gottlob. Denn bodenloseste Ichzerfleischungen verwandeln sich auf magisch-unerklärliche Weise – wie beim Marienwunder von Lourdes – in himmlische Klänge. Frei nach Kafka schwärmen gar viele: Blumfeld gehört, geweint! Erklärbar ist das nicht, wo doch Distelmeyer vocalen Sport strikt verweigert und am liebsten lethargisch zwischen zwei (allerhöchstens drei) Tönen hin- und herpendelt. Solches mit größter Inbrunst zu betreiben, ist allerdings eine feine Leistung. Völlig unglaublich aber, daß Ex-tazze Andreas Neuenkirchen im Konzert 1994 im Wehrschloß ein ekstatisches „Yeah“ und „Hey“ erkannt haben will; am besten gefiel ihm damals die Wortspielerei: „Über dem Regenbogen waren mir die Sterne schnuppe.“ Da störte ihn nicht mal: „Rock'n'Roll hat meinem Leben einen neuen Sinn gegeben.“ Brrrr. Blumfeld sind vermutlich die letzten Männer im Kosmos, die sich noch redlich und ernst abarbeiten am weiblichen Du ... Frau muß sie dafür einfach lieben ...

Huch, was ist das? Die PC-Tastatur fängt an zu kleben. Jetzt spricht sie auch noch: „Bei diesem Gesülze und beim Wort abarbeiten-am-Du löse ich mich in Schleim auf und verweigere ... blub ...blub ... “ bk

Die Virtuosen der Trauer am 14.3. um 20 Uhr im Modernes