Lieber Entertainer als Gefäßchirurg

■ Ein wirklicher Könner an der Heimorgel: Rainer Limpinsel alias Mambo Kurt kastriert bevorzugt Rocksongs, die sich zu ernst nehmen

Den weißen Anzug hat er während seiner Zivildienstzeit aus der Kleiderkammer des Roten Kreuzes geklaut, die Orgel kommt aus dem Gebrauchtmusikalienhandel. Außer der exakt eine Mark teuren getönten Plastiksonnenbrille von der DEA-Tankstelle ist bei Mambo Kurt alles aus zweiter Hand. Die Songs sowieso.

Bewaffnet mit seiner Heimorgel vom Typ Yamaha D-85, Baujahr 1976, und einer unvergleichlich unbeteiligten Gesangsstimme, spielt sich der Mann aus Bochum quer durch die populäre Musik und bringt schon lange nicht mehr nur Privatpartys zum Toben. Ob „Basket Case“ von Green Day, „Thunderstruck“ von AC/DC, die Fußballstadion-Hymne „You'll Never Walk Alone“ oder die TV-Melodie „Herz ist Trumpf“, alles fällt dem dünnen Orgelgezwitscher zum Opfer. Sorgsam wird auf der Debütplatte „The Return of Alleinunterhalter“ neben jedem Titel der in der Heimorgel gespeicherte Rhythmus vermerkt: Tango, Disco, Latin, Bossa und natürlich Mambo.

Begonnen hat alles in Hagen, in der Yamaha-Orgelschule von Irma Tolksdorf, wo Rainer Limpinsel, wie er im zivilen Leben heißt, in seiner Jugendzeit das Orgelspiel erlernte. „Rainer ist ein wirklicher Könner“, erinnert sich seine ehemalige Lehrerin gerne an ihren prominentesten Schüler zurück, der damals sogar nordrhein-westfälischer Orgelmeister in seiner Altersklasse wurde. Inzwischen ist Limpinsel zwar 32 Jahre alt geworden, aber „macht jetzt ein wenig auf blöd“, glaubt Frau Tolksdorf.

Ihr Ex-Student sieht das natürlich anders. Gar nicht verarschen wolle er die Originale, seine Interpretationen seien vielmehr „Huldigungen“. „Am besten kommen die Songs“, hat Limpinsel festgestellt, „die sich im Original am härtesten und ernstesten nehmen.“ Einer wie Van Halens „Jump“, aber auch „Come As You Are“ von Nirvana. Reduziert aufs Allernötigste, ohne Gitarren, wirken die Klassiker wie kastriert. Außerdem kann man dann plötzlich sehr genau hören, was ein wirklich guter Song ist.

Darum allerdings geht es nicht. Lustig muß es sein. Lustig ist es. Die schwedischen Dumpfrocker von Clawfinger wußten schon, warum sie Mambo Kurt als Einheizer für ihre Deutschlandtour verpflichteten. Limpinsel nahm seine Aufgabe allerdings so ernst, daß ihn das Metal-Publikum gar nicht mehr von der Bühne lassen wollte.

So gesehen geht Mambo Kurt auch fast ohne einschlägige Titel durchaus als Teil des Schlagerrevivals durch. Endlich kann man sich zu sämtlichen peinlichen Lieblingstücken bekennen, weil eh nicht mehr viel von ihnen übriggeblieben ist. Familie Limpinsel ist das egal. Die hat sich inzwischen damit abgefunden, daß der Rainer seine Karriere als Facharzt für Gefäßchirurgie erst mal auf Eis gelegt hat. „Der Junge soll machen, was ihm Spaß macht“, sagt die Mama.

Also macht der Junge und zerrappt sogar ein Stück von Ice-T: „Ich bin der grottenschlechteste Rapper auf dem ganzen Erdenball, aber ein verdammt guter Heimorgelspieler, deshalb sage ich zu meiner Heimorgel: Spiel, Heimorgel, spiel, make some noise!“ Und das macht sie dann auch, jede Wette. Thomas Winkler

Heute, 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg