Kein Grund, unsere Wahlziele zu ändern

■ SPD-Spitzenkandidat Walter Momper: Kein Grund zur Panik im Berliner Wahlkampf

taz: Herr Momper, werden Sie jetzt als Alternative zu Rot-Grün die scheintote Berliner FDP reanimieren?

Walter Momper: Ich weiß nicht, wie Sie auf diese Idee kommen. Ich halte sie – mit Verlaub– für abartig.

Sie glauben also trotz der Bonner Performance noch an Chancen für Rot-Grün in Berlin?

Unser Wahlziel ist klar und bleibt auch unverändert: eine Reformkoalition für Berlin. Nur weil es eine krisenhafte Zuspitzung innerhalb des SPD-Teils der Bundesregierung gibt, ist das ja noch lange kein Grund, über Wahlziele nachzudenken.

Gerhard Schröder nun ist ein Mann der Mitte, einer der nicht gleich Oskar Lafontaine für das rot-grüne Bündnis steht. Mit dem Wechsel an der Spitze geht doch auch ein Signal nach Berlin.

Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist Gerhard Schröder der Chef einer rot-grünen Regierung, oder irre ich mich da? Er hat diese Koalition auch abgeschlossen. Ich halte es ohnehin für abwegig zu denken – wie es schon laut wurde –, eine Koalition würde wegen solcher Entwicklungen aufgekündigt.

Also kein Signal nach Berlin?

Aber der Gerhard Schröder kandidiert doch nicht hier als Spitzenkandidat. In Berlin kandidiere ich als Spitzenkandidat.

Welche Auswirkungen hat der Rückzug Lafontaines denn Ihrer Meinung zufolge auf die Berliner Wahl?

Daß die Situation das Ansehen der Bundesregierung, damit der Koalition und damit auch der SPD nicht gerade positiv beeinflußt, liegt ja auf der Hand. Aber wie immer, wenn solche krisenhaften Zuspitzungen dazu führen, daß man anschließend um so besser Tritt faßt, die Fehler der Vergangenheit – alles auf einmal, alles zugleich, oft überhastet und manchmal nicht zu Ende gedacht zu tun – unterläßt, dann kann das nur zu einer Verbesserung der Situation führen. Wenn die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition in Bonn jetzt Tritt fassen, dann wird das auch zum Vorteil von uns in Berlins sein.

Im übrigen habe ich meinen Parteifreunden hier immer gesagt: Nichts kommt von allein, auch nicht Rot-Grün. Die Berliner SPD muß aus eigener Kraft ein Profil gewinnen, welches die BerlinerInnen und Berliner überzeugt. Wenn dann noch ein Rückenwind aus Bonn kommt, dann ist das in Ordnung. Unsere Situation hat mittelbar etwas mit der Situation in Bonn zu tun, aber eben nur mittelbar.

Sie sagen jedoch selbst, daß die Bonner Ereignisse sich zumindest nicht besonders positiv auf Berlin auswirken. Was können Sie denn in Berlin tun, um das wettzumachen?

Je stärker die Berliner SPD, je stärker die Grünen, desto besser. Je stärker man in der Lage ist, sich von dem Bundestrend abzukoppeln, desto besser.

Nun hieß es aber lange Zeit in der Berliner SPD, der Rückenwind aus Bonn, etwa der erhoffte Abbau der Arbeitslosigkeit bis zum Frühjahr, werde Rot-Grün gleichsam in die Regierung tragen. Steigen nun unter diesem Blickwinkel mit dem Rückzug Lafontaines ihre Chancen oder werden sie geringer?

Man kann solche Entwicklungen in Bonn nicht beeinflussen, deshalb kann man sich darauf auch nicht verlassen. Deshalb koppelt man sich klugerweise davon ab, soweit es eben geht.

Mit der Person Lafontaines hat die Entwicklung der Arbeitslosigkeit nichts zu tun, sondern mit der richtigen Politik. Außerdem wird man einfach nicht in drei Monaten wettmachen können, was die vorige Regierung in sechzehn Jahren im beschäftigungspolitischen Feld verabsäumt hat. Das sind ja keine Einflüsse von heute auf morgen. Barbara Junge