■ Schnittplatz
: Das neue Leben des Dr.M.

Wem es um seriösen Journalismus geht, der kann sich auf Dr. Michael Maier verlassen. Wo immer es wohlfeil ist, wettert der Stern-Chefredakteur für Transparenz und „Berufsethos“. Das ist ehrenwert, holpert es auch mal, wenn Maier für skeptische Aufgeschlossenheit gegenüber künftigen Kommunikationswelten wirbt („Daher sollten sich Eltern bei dem Wunsch nach einem Internet-Anschluß großzügiger verhalten, als sie dies bei einem neuen Gameboy oder einer Playstation tun würden“). Sei's drum, der Mann war immer schon gegen „Kumpanei“ der Presse mit Politik und Unternehmen, speziell dem eigenen. Als er jüngst seine Berliner Zeitung für den Stern verließ, gab er den Redakteuren mit, sie sollten sich nicht zuviel von den Bertelsmännern reinreden lassen, denen über den Verlag Gruner + Jahr das Blatt gehört. Dr. Maier schien das letzte Bollwerk gegen die Konzernbegehrlichkeiten. Nur einer hat die Konzernoberen mehr geärgert: Dr. Werner Funk. Als Maiers Vorgänger beim Stern 1998 für eine Titelgeschichte übers Internet einen Deal mit T-Online machte und dem Heft eine CD-ROM beiheftete, mit der Leser zu T-Online-Kunden werden konnten, zürnten die Manager. Nicht weil sich ihr publizistisches Flaggschiff für eine Firma einspannen ließ, sondern weil es die falsche Firma war. Nicht T-Online, sondern das bertelsmanneigene AOL solle der Stern gefälligst puschen. Nun setzt ausgerechnet Dr. Maier den Auftrag um. In der neuen Stern- Titelgeschichte „Das neue Leben im Internet“ steht zwar kaum anderes drin als letztes Jahr. Diesmal aber ist die gewünschte AOL-CD mit dabei. Wie schreibt Dr.Maier doch so schön: „(Es) können sich sogar Liebesbeziehungen übers Netz anbahnen.“

Was soll man auch von der Unabhängigkeit eines Magazins halten, das einen anderen Text so beginnt: „Audi hat in gut zwei Jahrzehnten sein Spießer-Image abgestreift und sich zur Avantgarde im Automobilbau gemausert. Wegweisende Innovationen, heute oft Standard in den Autos vieler Hersteller, stammen aus Ingolstadt“? lm