Grüner Neuanfang auf der ITB?

Ökologie war auch auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse Thema: Umwelt- und Entwicklungspolitische Gruppen traten in einer gemeinsamen Halle auf. Eine zufällige Vernetzung mit Zukunft  ■ Von Christel Burghoff

„Wir sind eigentlich ein Zufallsprodukt“, meint Bernd Räth von ÖTE (Ökologischer Tourismus in Europa). „Um mal wieder Flagge zu Umwelt- und Tourismusthemen zu zeigen, wollten wir von der Messe Berlin 40 Quadratmeter Standfläche umsonst haben, und plötzlich stellten sie uns knapp 200 Quadratmeter zur Verfügung.“ Der „Zufall“ führte auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse zehn Umwelt- und Entwicklungsorganisationen zu einem Gemeinschaftsstand zusammen – neben BUND, ÖTE und Gruppen wie VCD (Verkehrsclub Deutschland) und Naturfreunde auch den kommerziellen Dienstleister „Verträglich Reisen“ und das „Forum Anders Reisen“, den neuen Interessensverband für Kleinstanbieter. Wie vor etlichen Jahren schon die Arbeitsgemeinschaft „Tourismus mit Einsicht“ bildeten sie mit ihren Forderung zum sozial- und umweltverträglichen Reisen einen exotischen Kontrapunkt zur wachstumsseligen Tourismusbranche. Andererseits gab es Neues vorzustellen. Der BUND etwa hat ein Computerprogramm erarbeitet, das jedem, der es genau wissen will, den Energieverbrauch seiner Urlaubsreise ausrechnet. Die Naturfreunde-Internationale ist unter www.eco-tour.org ins Internet gegangen, um kleinen Betrieben und ländlichen Regionen eine bessere Vermarktungschance zu bieten. Bis zum Sommer 1999 soll Eco- Tour mit mehreren tausend Reiseangeboten zum zentralen Informationsdienst für die Urlaubsplanung interessierter Internet-Nutzer ausgebaut werden.

Neu innerhalb der ITB-Initiative ist allerdings auch eine gewisse Verärgerung: Jahrelang hat man sich der Förderung eines sanften Tourismus verschrieben, hat Öko-Gütesiegel und Kriterienkataloge für sanfte Anbieter erarbeitet – jetzt, im Jahr 7 nach der Konferenz von Rio, sehen sich altgediente Aktivisten wie Bernd Räth vom ÖTE zwar „kurzfristigen Erfolgen“, aber im Sinne von „Nachhaltigkeit“ keiner tragfähigen Entwicklung gegenüber. Deutschland, so Räth, habe sich zwar in Rio stark für die Lösung globaler Probleme engagiert, die umweltpolitischen Chancen jedoch würden „verschlafen“. Zentrale Forderungen wie ein einheitliches Öko-Gütesiegel im Tourismus oder die Kerosin- bzw. Emmissionsbesteuerung wurden nicht erreicht. Immer bloß eine bessere Reisemoral einzuklagen, wie es beispielsweise die grüne Staatssekretärin Gila Altmann auf einer Podiumsdiskussion des Umweltministeriums einbrachte, reiche nicht aus, meint Manfred Reuther von „Verträglich Reisen“. Um die Nachhaltigkeitsdebatte wieder anzukurbeln, werden jetzt verstärkt ordnungspolitische Maßnahmen gefordert. Die regulierende Funktion der Politik ist wieder gefragt. Und die Ökofront konzentriert sich stärker auf strukturelle Themen.

Die ITB-Initiative verspricht sich viel von ihrem Vorstoß auf UN-Ebene: Sie stellte ein Positionspapier deutscher NGOs mit der zentralen Forderung eines „Masterplans“ für eine nachhaltige Tourismusentwicklung in Deutschland vor. Das Papier wird demnächst die CSD7 verhandeln, jene UN-Commission on Sustainable Development, die die Agenda 21 betreut.

Die Bilanz der neuen ITB-Initiative: Fast 40 Veranstaltungen und Präsentationen am Gemeinschaftsstand – vom neuesten „Erlebniswanderführer“ der Naturfreunde bis hin zu Gewässerschutz und Kanutourismus. Und fünf Podiumsveranstaltungen fürs große Publikum, die das Themenspektrum von der Politik bis zum Ferntourismus abdeckten. Das Publikumsinteresse war eher mäßig. Was sich bald ändern kann. Christine Garbe, die Initiatorin vom BUND, plant bereits den nächsten ITB-Auftritt. Die Runde will sich um entwicklungspolitische Gruppen erweitern. Christine Garbe will die Lobbyarbeit fördern.