Nur 361 Kilometer bis nach Hamburg

■ Eine Brücke in die High-Tech-Zukunft: Die Fehmarnbelt-Querung auf der Vogelfluglinie soll Malmö und Kopenhagen mit Lübeck und Hamburg verbinden

„Hamburg 361 km“: Das grüne Autobahnschild steht am Stadtrand von Malmö in Südschweden an der Auffahrt zu einer Brücke, die noch ins Nichts führt. Gut drei Kilometer seewärts zeigt Projektchef Karl-Otto Sicking dem schleswig-holsteinischen Verkehrsminister Horst Bülck (parteilos) auf dessen erster Auslandsreise als Minister den Fünf-Milliarden-Mark-Bau, über den in 15 Monaten Autos und Züge ins nahe Kopenhagen rollen sollen. Hinter dem 204 Meter hohen Ost-Pylon klafft noch eine drei Kilometer lange Lücke, bevor es über eine künstliche Insel und einen Tunnel aufs dänische Festland geht.

Die Brücke verbindet eine Region mit 3,2 Millionen Einwohnern, die sich in puncto Lebensqualität in Europa mit an der Spitze sieht: Das skandinavische „Medicon Valley“ – in Anlehnung an die kalifornische High-Tech-Region „Silicon Valley“ – steht für ein Wachstumszentrum der Biotechnologie, Medizintechnik und Pharma-Industrie. Für über 800 Millionen Mark entstehen hier zwei neue Forschungszentren für Biotechnologie. 60 Prozent der skandinavischen Pharma-Industrie sind am Öresund konzentriert.

Wie in Schleswig-Holstein haben in Südschweden Schiffbau und Landwirtschaft an Bedeutung verloren, Hochschulen und neue Technologien sind die Hoffnungsträger der Zukunft. In Malmö, wo jeder vierte der 250.000 Bewohner Einwanderer ist und über 100 Sprachen gesprochen werden, wurde gerade die jüngste Uni Schwedens gegründet, und in der benachbarten Universitätsstadt Lund vereint der Technologiepark Ideon mehr als 100 Firmen, die mit Hochschulen und staatlicher Unterstützung für raschen Technologietransfer sorgen. Die Unis Lund und Kopenhagen haben sich mit neun anderen Hochschulen und 120.000 Studenten zur Öresund-Uni zusammengefunden.

Und gigantomane Verkehrsprojekte sollen genutzt werden, um die Region zu entwickeln. Weil sich der Jubel über eine Öresund-Brücke aus ökologischen Gründen in Grenzen hielt, wurde im schwedischen Lernacken mit Millionenaufwand ein Ausstellungszentrum aus dem Boden gestampft, in dem im ersten Jahr 300.000 Besuchern ein Positiv-Image des Projekts vermittelt wurde. Selbst auf T-Shirts und Servietten wird für das 16 Kilometer lange Bauwerk geworben. Die Brücke wird dazu führen, daß Kopenhagen und Malmö auf 20 Autominuten aneinanderrücken. Eine Folge könnte auch sein, daß die Hauptstadt Stockholm für Südschweden an Bedeutung verliert. In der dänischen Metropole heißt es bereits spöttisch, jetzt hole man sich die im 17. Jahrhundert verlorene südschwedische Region Schonen zurück.

Zwar werden Züge bald mit Tempo 200 über den Sund rasen und elf Meter darüber täglich bis zu 30.000 Autos gegen eine Mautgebühr hin- und herfahren. Doch richtig lohnend wird die Brücke erst, wenn ihr eine Schienen- und Straßen-Querung über den Fehmarnbelt folgt. Die neue Vogelfluglinie nach Lübeck, Hamburg und weiter bis Berlin soll in sieben Jahren fertiggestellt sein, hofft der Direktor des Öresund-Komitees, Birger Olofsson. Dies würde auch Bülck freuen, der gespannt auf die entsprechenden Gutachten wartet.

Olofsson hat auch eine Schienenquerung Helsingör-Helsingborg im Auge, so daß es über den Öresund Ringverkehr geben würde. Derzeit pendeln 1500 Menschen täglich von Malmö nach Dänemark, umgekehrt 500. Auch Olofsson lebt in Lund und arbeitet in Kopenhagen. „Regionen werden immer wichtiger in der ganzen Welt“, meint er. Weil Südschwedens Wirtschaft in ihrer Region keine zwei Währungen haben möchte, will sie den Euro – 2002 unter schwedischer EU-Ratspräsidentschaft könnte sie ihn bekommen. Bislang gehört Schweden nicht zum Euro-Land.

Komiteechef Olofsson will mit der Sund-Brücke die Menschen einander näherbringen: „Wir wollen Öresund-Bewohner, die so glücklich wie die Dänen sind und so lange leben wie die Schweden.“

Wolfgang Schmidt