Im Senioren-Supermarkt neu starten

■ Bremer Fachtagung diskutierte Zukunft öffentlich geförderter Beschäftigung / Staunen über „Senioren“-Projekt aus Dänemark

Die Idee vom dänischen „Senioren“-Supermarkt kam gut an. „Das hat Charme“, urteilte unisono das deutsche Publikum. Seit einem Jahr managen in Kopenhagen 21 „Senioren“ einen „Netto-Supermarkt“ – ein beispielloses Projekt für die bislang eher vernachlässigten Arbeitslosen ab 45 Jahren (dänisch „Senior“ genannt). „Neuer Start ab 45“ lautete deshalb eines von ingesamt sieben Fachforen bei der Bremer Fachtagung „Jede Menge Arbeit – Herausforderungen und Chancen öffentlich geförderter Beschäftigung“ vergangene Woche im World Trade Center.

Zum Austausch hatte der Verband Bremer Beschäftigungsträger erstmals Kammern, Gewerkschaften, Unternehmensverbände sowie Referenten von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) an einen Tisch geholt. „Raus aus dem Nischendasein“ der Beschäftigungsprojekte mit ihrer gemeinnützigen Arbeit und ran an die Firmen im ersten Arbeitsmarkt – so die Stoßrichtung der Tagung. Das Ziel: mit der Wirtschaft neue „Leitplanken“ in die Arbeitsmarktpolitik einschlagen, so Verbandsgeschäftsführerin Katja Barloschky.

Immerhin fließen in Bremen jedes Jahr über 40 Millionen Mark in den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit seinen einjährigen BSHG-19-Stellen für Sozialhilfeempfänger. Dazu kommen allein 4.000 von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Der wandelnde Arbeitsmarkt wirft jedoch immer wieder neue Probleme auf: So stieg z.B. der Anteil der über 45jährigen Arbeitslosen in Bremen in den vergangenen zehn Jahren drastisch um 60 Prozent an. „Aber kümmern tat sich keiner“, kritisierte Pastor Reinhard Jung, Moderator des Forums. Zum Anreiz präsentierten die Bremer deshalb ein Projekt aus Dänemark.

Das wollte „öffentlichkeitswirksam“ Vorurteile gerade gegenüber älteren Arbeitnehmern abbauen, erklärte der eingeladene Ewald Eriksen von der Unternehmensberatungsfirma „Mercuri-Urval Consult“. Sie überredete die größte dänische Lebensmittelkette „Netto“ mit überwiegend jungem Personal zu einem Experiment und versprach frech „Wettbewerbsvorteile“: „Wie ist es denn, wenn ein 22jähriger französischen oder deutschen Wein verkauft?“ Die versprochene Rechnung ging offenbar auf: Der Supermarkt mit seinen 21 „Senioren“ zwischen 48 und 54 Jahren mache derzeit 20 Prozent mehr Umsatz, besteche durch Sauberkeit und geringen Krankenstand, berichtete Eriksen. „Wenn etwas herunterfällt, setzt bei den Bediensteten gleich der Aufräuminstinkt ein“, lobte er ganz salopp die positive dänische Einstellung zum Service-Verhalten.

Das Projekt nehme den Jungen die Jobs weg, lautete aber gleich neben einem positiven „charmant“ die erste Publikumskritik. „Verteilungskämpfe“ sahen auch Referent Gerd Tehler aus dem Haus von Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) und Arbeitsamts-Leiter Friedemann Winter aus Vegesack voraus. Das Projekt sei unbestritten „gut“, weil die Senioren gleich im ersten Arbeitsmarkt unterkämen. Das sei schließlich Hauptziel öffentlich geförderter Beschäftigung. Im größeren Stil böten Beschäftigungsprojekte für Ältere aber generell kaum Zukunftschancen: „Ab 55 ist doch kaum einer vermittelbar.“

Ein Statement, das nicht ohne Widerspruch blieb. „Vermittlungserfolge dürfen künftig nicht mehr alleiniger Erfolgsmesser sein“, sagte ein Zuhörer und wiederholte damit die Hauptthesen Katja Barloschkys vom Träger-Verband: „Es muß endlich anerkannt werden, daß es – solange eine solidarische Umverteilung nicht gesellschaftlich durchgesetzt ist – weder für alle genügend Erwerbsarbeitsplätze gibt noch geben wird.“

Das war dem Dänen Ewald Eriksen dann aber doch viel zu „pessimistisch“. Die Situation in Deutschland sei zwar „sehr schwierig“, meinte er – in Dänemark hätte man zugegebenermaßen nicht das riesengroße Problem der Jugendarbeitslosigkeit. Wenn man den Arbeitslosen mit guten Qualifizierungsangeboten „neuen Mut macht“, würden sie aber auch bestimmt Jobs finden. Das fand merkwürdigerweise auch der eingeladene Helmut Zorn vom Einzelhandelsverband Nordsee, selbst Geschäftsführer einer Einzelhandelskette: Viele ältere Frauen würden sich einfach nicht „trauen, bei mir in den Märkten wieder einzusteigen“, betonte er wiederholt. Aber konkrete Zusagen für mögliche Supermarkt-Projekte in Bremen gab er trotzdem noch nicht ab. „Da werden wir jetzt nachsetzen“, machte Katja Barloschky klar. Die Tagung sei als Warming-up gedacht, um Unternehmer aber auch Arbeitssenator Uwe Beckmeyer (SPD) danach für neue Angebote in die Pflicht zu nehmen. kat