Künste, Konzerne etc.
: Kingsize für Warhol

■ In New York expandieren die Museen: Das Dia Center for the Arts baut eine ehemalige Papierfabrik im Norden zu einer der größten Kunsthallen der Welt um

Für alle Bilder war kein Platz. Obwohl sie dicht an dicht gehängt wurden, fehlt im Dia Center for the Arts fast die Hälfte aus Andy Warhols 1978 konzipierter „Shadows“-Serie. Zwar füllen die 60 grob übermalten Siebdrucke immer noch eine komplette Autowerkstatt im New Yorker Chelsea-Bezirk aus. Doch für den edlen Kunstverein, der auf überdimensionale Minimalskulpturen von Richard Serra, Land-Art oder raumübergreifende Beuys- Arbeiten spezialisiert ist, dürfte der zerstückelte Warhol eine Verlegenheitslösung gewesen sein.

In zwei Jahren ist es mit solchen Halbheiten vorbei. Dann wird das Dia Center hundert Kilometer nördlich von New York in Beacon ein weiteres Museum eröffnen. Bis 2001 soll eine ehemalige Papierfabrik zum vermutlich größten Kunstraum der Welt umgebaut werden. Das Gebäude ist an die 100.000 Quadratmeter groß, von denen nach der Renovierung über 16.000 Quadratmeter als Ausstellungsfläche zur Verfügung stehen. Das sind selbst für amerikanische Verhältnisse märchenhafte Größenordnungen: Das neue Haus bietet für Kunstwerke bald doppelt soviel Platz wie das Museum of Modern Art, gegenüber dem Whitney Museum ist es etwa viermal so groß.

Dabei ist der Umfang der Sammlung, die vom deutschen Galeristen Heiner Friedrich und dem aus Texas stammenden Mäzen Philippa de Menil für die Dia Foundation zusammengestellt wurde, zahlenmäßig eher bescheiden. Zu den 500 Arbeiten gehören neben Serras sieben Meter hohen „Torqued Ellipses“ aus dem letzten Jahr allerdings auch gigantische Schrottskulpturen von John Chamberlain oder ein Raum mit Zeichnungen von Hanne Darboven, die mit ihrem Projekt immerhin das ganze Jahrhundert dokumentiert hat. Insofern paßt auch Warhols Mammutserie gut ins Gesamtbild der Dia-Museologie.

Umgekehrt setzt ein solches Unternehmen an der Peripherie freilich auch Zeichen im Zentrum. Der New Yorker Kunstmarkt entwickelt sich inzwischen kaum noch anders als multinationale Konzerne nach allen Regeln der Globalisierung. Man expandiert und fusioniert wie nach dem Lehrbuch des Neoliberalismus. Nachdem das Guggenheim-Museum zuletzt Filialen in Bilbao und Berlin eröffnet hat, plant es nun eine weitere riesige Dependance an einer der Pieranlagen am Hudson River. Lediglich die Stadtverwaltung von New York zögert noch bei der Freigabe des Geländes, weil der Zugang zum Wasser eigentlich allein dem Handel und Transport vorbehalten ist.

Trotzdem dürften ein paar Fischkutter keine ernsthafte Konkurrenz für die stete Verkunstung der Welt darstellen. Und auch das MoMA hat vorgesorgt: Durch den Zusammenschluß mit dem P.S.1-Center in Brooklyn stehen ab 2001 zusätzlich 15.000 Quadratmeter für Gemeinschaftsprojekte ebenso wie großangelegte Retrospektiven zur Verfügung. Was bei Banken oder in der Automobilindustrie das Wachstum sichern soll, scheint offenbar auch im Umgang mit kulturellem Kapital zu funktionieren. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Anlageberater.

Doch zumindest für das Konzept des neuen Dia-Museums gibt es noch einige Unwägbarkeiten. Vor allem die extreme Randlage ist ein wenig problematisch: Außer eingesessenen New Yorkern wird das Haus kaum Publikum anziehen – welcher Tourist wird sich bei seinem Wochenendtrip schon in die Provinz verirren? Immerhin liegt Beacon über eine Stunde Bahnfahrt von der Metropole entfernt. Tatsächlich sind die geschätzten Besucherzahlen äußerst mager: Selbst das Hauptgebäude in Chelsea hat nach Angaben des Dia-Direktors Michael Govan gerade einmal 80.000 Besucher jährlich. Daher sind die Umbaukosten von 20 Millionen Dollar, die für die Papierfabrik eingerechnet sind, wirtschaftlich ein gewaltiges Risiko.

Womöglich gehört aber selbst die Minus-Kalkulation mit zum Geschäft: Auch das Guggenheim-Museum schreibt mit seinem Haus in Soho rote Zahlen. Erst als im letzten Jahr die Verluste bei einigen Millionen Dollar lagen, wurde umdisponiert und untervermietet. Demnächst eröffnet nun wohl Prada eine Boutique im Erdgeschoß des Museums. Harald Fricke