In der Atompolitik keine Wende

■ Umweltministerium und Kanzleramt bleiben dabei: Keine Castor-Transporte in diesem Jahr. Allenfalls Vorbereitungen

Hannover (taz) – Das Bundespresseamt und das Bundesumweltministerium haben am Wochenende Berichte über eine Wende in der Bonner Energiepolitik und eine baldige Wiederaufnahme der Castor-Transporte einmütig dementiert. Die Welt am Sonntag hatte berichtet, der Kanzler habe am vergangenen Donnerstag in seinen Gesprächen mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden einem Abschalten von AKWs in der Legislaturperiode eine Absage erteilt und eine baldige Wiederaufnahme der Atommülltransporten in die Wiederaufarbeitung nach Frankreich versprochen.

Dabei berief sich die Zeitung auf ein nicht näher spezifiziertes Gesprächsprotokoll. Im Kanzleramt existiere ein solches Protokoll nicht, hieß es gestern aus dem Bundespresseamt. Auch von einer Wende Schröders in der Energiepolitik könne keine Rede sein. „Der Bundeskanzler strebt weiterhin den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie und den Einstieg in eine neue Art der Energieversorgung an, die ohne Atomenergie auskommt“, sagte ein Regierungssprecher. Die Behauptung, daß Schröder dem Abschalten von drei bis vier Reaktoren in der Legislaturperiode eine Absage erteilt habe, treffe explizit nicht zu.

Das Umweltministerium ordnete den Bericht dem „Reich der Fabel“ zu. Jürgen Trittin werte ihn als „höheren Blödsinn“. An den beiden Gesprächen zwischen Schröder, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden über den angestrebten Energiekonsens habe auch der Umweltminister oder sein Staatssekretär teilgenommen, sagte Ministeriumssprecher Franz August Emde. Diese Gespräche seien ein bloßer Meinungsaustausch gewesen. Trittin wolle in den eigentlichen Konsensverhandlungen mit den AKW- Betreibern weiterhin ein Gesamtpaket schnüren, in dem sowohl die Restlaufzeiten der Atommeiler, die Entsorgungs- und Transportfragen und auch die strittigen Steuerfragen geregelt würden.

Als ersten Schritt habe Schröder mit den Energieversorgern deswegen die Einsetzung einer Expertengruppe vereinbart, die zunächst die auf die Energieversorger zukommenden Steuerbelastungen durch die teilweise Versteuerung der Entsorgungsrücklagen genau beziffern solle. Schröder hatte den Energieversorgern Entgegenkommen bei der Besteuerung in Aussicht gestellt.

Die Frage der Wiederaufnahme der Atommülltransporte war zwischen dem Umweltministerium auf der einen und Kanzleramt und Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite schon vor dem Gespräch strittig gewesen. In einer Arbeitsgruppe zu Entsorgungsfragen aus Vertretern der Regierung und der Energiewirtschaft hatte es etwa Streit um ein Protokoll gegeben, nach dem auch der Vertreter von Trittin einer Wiederaufnahme der Transporte noch in diesem Jahr zugestimmt haben sollte. Am Ende hatte Trittin schließlich einen Brief an Schröder geschrieben, in dem er dem Vernehmen nach vorschlug, die Wiederaufnahme der Transporte zwar vorzubereiten, die Entscheidung über die Wiederaufnahme aber weiter offenzuhalten. Im Umweltministerium schien man dann erleichtert, als in dem Konsensgespräch nur die Steuerfragen, nicht aber neue Castor-Transporte das Thema waren. Jürgen Voges