„Die Kleinen brauchen Entlastung“

■ Klaus Müller, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, zur Steuerreform

taz: Die Wirtschaft jubelt über Lafontaines Rücktritt. Zu Recht?

Klaus Müller: Die Wirtschaft macht sich jetzt Hoffnung, die Regierung noch stärker unter Druck setzen zu können. Aber wer jetzt eine große Wende erwartet, hat sich getäuscht. Die Einkommenssteuerreform bleibt, und gefragt ist jetzt eine seriös durchgerechnete Unternehmenssteuerreform.

Also wird doch einiges anders?

Das schon, aber nicht so, wie sich das vielleicht die Interessenverbände der Wirtschaft erhoffen. Wir brauchen keine Unternehmenssteuerreform, die pauschal die Wirtschaft entlastet, sondern die sich parteiisch für die kleineren und mittleren Betriebe einsetzt. Da möchte ich Bodo Hombach und Wolfgang Clement widersprechen. Den großen Konzernen geht es dank des Steuerrechts in Deutschland so gut, daß sie kein weiteres Entgegenkommen brauchen. DaimlerChrysler hat nicht ohne Grund als Firmensitz Stuttgart und nicht Detroit gewählt.

Wie sollen denn die Kleinen bevorteilt werden?

Die großen Konzerne können ihre Gewinne fast steuerfrei ins Ausland transferieren, kleine Unternehmen können das nicht. Sie zahlen auf ihre Gewinne recht hohe Steuern. Die wollen wir jetzt auf 35 Prozent senken.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement will die Unternehmenssteuern aber möglicherweise sogar auf 28 Prozent senken. Einverstanden?

Clement meint wahrscheinlich die Körperschaftssteuer. Die haben wir bereits von 45 auf 40 Prozent gesenkt und wollen sie weiter senken. Wir Grünen wollen, daß die Summe der Unternehmensbesteuerung am Ende der Legislaturperiode bei 35 Prozent liegt.

Hat Lafontaine die Bahn für einen Neuanfang frei gemacht?

Der Gesprächsfaden zwischen Lafontaine und der Wirtschaft ist abgerissen. Das lag nicht nur, aber auch an Lafontaine. Wie viele im Kabinett hat er übersehen, wie wichtig Kommunikation ist. Dadurch ist der falsche Eindruck entstanden, daß manche Branchen ungerechtfertigt belastet werden.

Wie sieht ein Neuanfang aus?

Wir brauchen ein Dreieck aus Haushaltskonsolidierung, großem Wurf der Steuerreformen und einer Reform der sozialen Systeme. Das Konzept für eine solche Verknüpfung werden wir in den nächsten 10 bis 14 Tagen vorlegen.

Was versprechen Sie sich von Hans Eichel?

Mit ihm werden wir mehr Zeit für unsere Vorhaben nehmen können. Ich hoffe, daß er genug Stehvermögen gegenüber allen Dränglern hat und wir eine ökologische Steuerpolitik fortsetzen können.

Die Grünen fordern eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Wird das nach Lafontaines Rücktritt nicht schwerer, weil ja nicht er, sondern Schröder gebremst hat?

Der Buhmann ist weg. Es gibt daher die Hoffnung, daß man mit Schröder, nun da er allein entscheiden muß, einfacher Kompromisse machen kann.

Wird das Benzin also teurer?

Klar. In der zweiten und dritten Stufe der Ökosteuer wird es eine höhere Mineralölsteuer geben. Interview: Markus Franz