Der Abschied: „Das Herz schlägt links“

■ Nach drei Tagen des Schweigens begründet Oskar Lafontaine seinen Rücktritt. Er rügt vor allem das „schlechte Mannschaftsspiel“ der Regierung und vermeidet offene personelle Schuldzuweisungen. Seiner Partei ruft er zu: „Eines soll sie nicht vergessen: Das Herz wird noch nicht an der Börse gehandelt, aber es hat einen Standort – es schlägt links.“

Berlin (taz) – Sein Schweigen dauerte genau 66 Stunden. In der Uniform der Politiker – dunkler Anzug, weißes Hemd, langweilige Krawatte – trat der Privatmann Oskar Lafontaine Sonntag mittag überraschend vor sein Haus in Saarbrücken und erklärte den Journalisten die Gründe für seine Flucht aus allen Ämtern. Aufklären wollte er, bevor alle die Geschichten aus dem Kanzleramt glauben, sein Rücktritt könne nichts, aber auch gar nichts mit einem politischen Zerwürfnis mit Schröder zu tun haben.

Mit nur mühsam gezügeltem Zorn, aber ohne persönliche Beleidigungen machte Lafontaine klar, daß der Politikstil des Kanzlers der wesentliche Grund für seine Entscheidung war. Um sich zu beherrschen, wählte der Fußballfan sprachliche Bilder aus der weiten Welt des Sports. Er sei zurückgetreten wegen des „schlechten Mannschaftsspiels“, das die Regierung in den letzten Monaten geboten habe. Dann formulierte Lafontaine sein politisches Vermächtnis – die drei wichtigsten Lehrsätze seit Sepp Herberger. Erstens: „Ohne ein gutes Mannschaftsspiel kann man nicht erfolgreich zusammenarbeiten.“ Zweitens: „Mannschaftsspiel verlangt, daß man Rücksicht aufeinander nimmt und daß man auch zueinander steht, auch in der Öffentlichkeit.“ Drittens: „Wenn die Mannschaft nicht mehr gut zusammenspielt, muß man eine neue Mannschaftsaufstellung suchen.“ Zum Schluß gab er der SPD noch einen Willy-Brandt-Gedächtnissatz mit auf den weiten Weg: „Das Herz wird noch nicht an der Börse gehandelt, aber es hat einen Standort – es schlägt links.“

Die Bundesregierung nahm Lafontaines Rücktrittserklärung „mit Respekt zur Kenntnis“. Durch die Erläuterungen seien die Motive des zurückgetretenen SPD-Politikers „klarer“ geworden, so Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Der Kanzler bleibe bei seinem Bedauern für die Entscheidung Oskar Lafontaines, dem er zugleich für seine Arbeit gedankt habe.

Der Rücktritt Lafontaines hat unterdessen einen Streit über einen unternehmerfreundlicheren Kurs der rot-grünen Regierung ausgelöst. Linke Sozialdemokraten und Gewerkschafter wandten sich gegen Pläne aus dem Regierungslager, die Wirtschaft steuerlich stärker zu entlasten als bisher geplant. Im Gespräch war eine Senkung der Unternehmenssteuer auf unter 35 Prozent, um die Investitionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Auch Korrekturen bei der Neuregelung der 630-Mark-Jobs wurden genannt. Der grüne Finanzpolitiker Klaus Müller dämpfte im taz-Interview die Hoffnungen der Wirtschaft: „Wer jetzt eine große Wende erwartet, hat sich getäuscht.“ Jens König