Unverbindlich unter Druck

Der Trainerstuhl von Frank Pagelsdorf beim Hamburger SV wackelt trotz aller Treueschwüre des Vereinsvorstandes  ■ Von Eberhard Spohd

Treueschwüre haben im Fußballgeschäft eine kurze Halbwertzeit. Am Montag erklären Vereinspräsidenten gerne, daß ein Trainer selbstverständlich am darauf folgenden Wochenende auf der Bank sitzen werde. Während am Sonnabend schon dessen Stellvertreter die Mannschaftsaufstellung bestimmt. Auch Frank Pagelsdorf, Trainer des Hamburger SV ist vor so einer Entwicklung nicht gefeit.

Noch in der vergangenen Woche hatte der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Rolf Mares, seinem Coach Rückendeckung signalisiert. „Mit diesem Trainer gehe ich durch dick und dünn“, sagte der Intendant der Komödie Winterhuder Fährhaus, um sofort im Anschluß klarzustellen: „Nach den Spielen gegen Bayern, Bochum (heute 20 Uhr) und Rostock werden wir eine sportliche Bilanz ziehen.“

Mares weiß, daß diese beiden Äußerungen unterschiedlich interpretiert werden können: „Meine Aussage kann man durchaus positiv sehen, aber das wird nicht gewollt“, wittert er eine Medienkampagne gegen seinen Übungsleiter: „Die Hamburger Sportpresse forciert die Ablösung Pagelsdorfs.“ Die Erwartungen seien einfach größer als die Ziele, die am Anfang der Saison formuliert wurden.

Daran hat aber der Vorstand um Mares nicht unerheblichen Anteil. Schon bei seinem Amtsantritt im vergangenen Oktober sprach er davon, daß bereits in dieser Spielzeit ein UEFA-Cup-Platz möglich sei. Das widersprach dem Drei-Jahresplan von Pagelsdorf, der die Mannschaft erst im kommenden Jahr für europatauglich hält. Plötzlich stand nicht mehr der behutsame Aufbau im Vordergrund, sondern der Hauruck-Erfolg.

Dazu kommt, daß die entscheidenden Gremien des Vereins, Vorstand und Aufsichtsrat, immer mehr in Erklärungsnotstand geraten. Wie soll man den Fans klarmachen, daß trotz Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe die sportlichen Erfolge ausbleiben? Wie soll man den Neubau eines Stadions rechtfertigen, wenn die Spiele unattraktiv bleiben? Und vor allem: Wie bringt man der Ufa Sports GmbH bei, daß man zwar alle Zugeständnisse, Zuwendungen und Kredite gerne angenommen hat, auf der anderen Seite sich aber mit der Rendite noch ein wenig Zeit lassen will. Denn immerhin macht der Generalvermarkter nur dann ein gutes Geschäft mit den Hanseaten, wenn das Produkt Fußball sich auch entsprechend verkaufen läßt. Außerdem sind sowohl die Ufa als auch die Pressevertreter mit der Außendarstellung Pagelsdorfs unzufrieden. Der 41jährige will lieber in Ruhe mit dem Team arbeiten, als ständig für Interviews bereitzustehen und PR-Termine wahrzunehmen.

All das sorgt im Volksparkstadion für eine giftige Atmosphäre, die Frank Pagelsdorf die Arbeit schwer macht. Dabei könnte man dem HSV einen guten Rat geben: Nerven behalten. Aber ohne 170 Millionen Mark Verbindlichkeiten läßt sich so etwas ganz unverbindlich sagen.