Magdeburg, wir grüßen dich

Berliner Bündnisgrüne formulieren im Programmentwurf mißverständlich: Autofahrer sollen künftig zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs zahlen  ■ Von Annette Rollmann

Noch klingt der kritischen Öffentlichkeit der bündnisgrüne Beschluß des Magdeburger Parteitages in den Ohren, den Benzinpreis auf 5 Mark zu erhöhen, da leisten sich die Berliner Grünen eine neue Variante der Geschichte „Wie bringe ich die Autofahrer gegen mich auf?“. In ihrem Programmentwurf für die Abgeordnetenhauswahlen im Oktober schreiben sie: „Wir wollen eine Nahverkehrsabgabe für alle AutofahrerInnen, die bei Kauf der Umweltkarte angerechnet wird, denn allein sie kann die notwendige Expansion des ÖPNV zu Lasten des individuellen motorisierten Nahverkehrs bewirken.“ Der Satz klingt verdächtig nach Strafzoll für Autofahrer. „Magdeburg, wir grüßen dich“ könnte bald der Tenor sein, mit dem die Presse erneut die mangelnde Vermittlung grüner Themen in der Öffentlichkeit beschreibt. CDU und FDP bekämen in der Hauptstadt schnellen Beifall.

„Ich glaube, das ist eine alte Fassung, in der diese Forderung steht“, vermutete gestern zunächst der Landesvorstandssprecher Andreas Schulze, um sich dann damit konfrontiert sehen zu müssen, daß es sich um die endgültige Fassung des Programms handelt, das die Berliner Grünen am kommenden Wochenende auf ihrem Parteitag absegnen wollen. „Das muß man erklären.“ Auch Landtagsabgeordnete Sibyll Klotz ruderte zurück: „Das ist ein mißverständlicher Satz.“ Eine Zwangsabgabe für Autofahrer? „Dem Eindruck will ich entgegenwirken.“

Gemeint ist mit der Abgabe der Plan, die Berliner Innenstadt innerhalb des weitläufigen S-Bahn- Rings zum Citybereich zu erklären und flächendeckend Parkscheinautomaten aufzustellen. Kauft der Autofahrer noch eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr, die sogenannte Umweltkarte, könnte er nach dem grünen Entwurf im sogenannten Citybereich kostengünstiger parken als der Pkw-Fahrer, der die Monatskarte nicht besitzt. Das, so glauben die Grünen, werde den Autofahrer dazu animieren, gleich mit der Umweltkarte in die Innenstadt zu fahren und sein Auto zu Hause oder an einem außerhalb der Innenstadt gelegenen U- oder S-Bahnhöfe stehen zu lassen. Das Problem: „Diese Variante, die wir bevorzugen, ist verfassungsrechtlich umstritten“, sagte der stellvertretende Faktionsvorsitzende Burkhard Müller-Schoenau gegenüber der taz.

Variante zwei sieht vor, in den Innenstadtbezirken für rund 50 Mark im Jahr Einwohnerparkausweise auszugeben. Parkt der Anwohner aus einem Bezirk in einem fremden Stadtteil, muß er allerdings stattliche Parkgebühren aufbringen. Die Hoffnung der Grünen: Durch die Einnahmen von rund 20 Millionen Mark durch die Ausgabe der Anwohnerausweise könnten die Karten für den öffentlichen Personennahverkehr gesenkt werden.

Diese Variante wird in Teilen bereits in Frankfurt am Main praktiziert. Allerdings darf man dort in bestimmten Vierteln ohne Anwohnerausweis nicht parken, Automaten gibt es nicht. Die Konsequenz: Wer dort trotzdem sein Auto abstellt und keinen Anwohnerausweis an der Fensterscheibe liegen hat, bekommt einen Strafzettel in Höhe von rund 30 Mark. Ein teures Vergnügen.

Die Berliner CDU hält von den genannten Varianten nichts: Eine komplette Aufstellung von Parkscheinautomaten sei nicht zu finanzieren. „Auch private Betreiber machen das nur in Hauptverkehrsstraßen“, sagte Alexander Kaczmarek, verkehrspolitischer Sprecher der CDU. Das Modell privater Politessen sei durch das Amtsgericht Tiergarten kassiert worden und daher in Berlin nicht umsetzbar. „Zudem setzen wir auf Freiwilligkeit bei der Wahl der Verkehrsmittel und nicht auf Zwang.“

Für welche der Varianten die Hauptstadtgrünen am Wochenende votieren werden, ist noch nicht entschieden. Doch ein neues Magdeburg wollen sie sich nicht noch mal leisten: Am frühen Nachmittag rief Sibyll Klotz, Mitglied des Fraktionsvorstands, noch einmal an: „Ich bin dafür, den Satz zu streichen.“