"Lieber dick und schnell wie Jan"

■ Deutschlands größtes Radsporttalent Jörg Jaksche über seinen neuen Arbeitgeber Team Telekom, Kapitän Ullrich, feiste Ärsche und den Spagat, sich unterzuordnen und trotzdem seinen Weg zu gehen

taz: Ja, Herr Jaksche, mit Antipasti und Spaghetti al dente wird es jetzt mal für zwei Jahre vorbei sein: Wer meint, er müsse als erklärtes Leckermaul von Italien nach Deutschland wechseln...

Jörg Jaksche: ...ich bin ganz positiv eingestellt und...

...lassen sich bei Telekom zum Ullrich-Edelhelfer einkochen: Poltis Rundfahrt-Talent, der deutsche Shooting-Star der vergangenen Saison...

...ist doch eine ganz gute Position. Es ehrt mich, daß Walter so viel Vertrauen in mich hat.

Sie wollen uns veräppeln. Es enttäuscht Sie gar nicht, daß Teamchef Walter Godefroot nicht Größeres mit Ihnen vor hat?

Ich bin Realist, ich bin jung, ich habe Zeit.

Die übliche Leier: Ein Rennfahrer hat nicht viele Illusionen?

Es kann in diesem Sport schnell rauf, aber auch schnell wieder runter gehen. Die Saison hat gerade erst angefangen. Ich muß mich da jetzt mal locker herantasten.

Und das dürfen Sie? Von Leistungsdruck nichts zu hören?

Die von Telekom kamen während der Tour auf mich zu: „Wir wollen dich, mach du jetzt einfach mal dein Ding.“ Ich habe mich nicht angepriesen. Sonst wäre ich eher unter Zugzwang, im ersten Jahr alles zu leisten. Wer weiß, vielleicht fahre ich dieses Jahr nur Mist zusammen. Oder...

...oder?

Vielleicht fährt Jan Ullrich mal ein Kriterium für mich – bei mir zu Hause in Ansbach.

Sie machen Witze?

Jetzt im Ernst: Wenn ich erst Edelhelfer für Ullrich bin, ist es kein großer Akt mehr, in einer anderen Mannschaft Chef zu werden. Ich sehe den Wechsel zu Telekom als Herausforderung.

Sie sehen es als Herausforderung, jetzt auf heißen Kohlen zu sitzen und darauf zu warten, ob Sie mit zur Tour dürfen oder nicht?

Tatsache ist: Zehn sind im Aufgebot, einer zuviel, also fliegt einer noch raus. Es ist ganz einfach: Entweder du fährst vorne mit, dann geht es zur Tour, oder die Kollegen sind besser, hängen dich ständig ab, und du bleibst eben daheim.

Sie setzen sich dann gemütlich in den Fernsehsessel?

Ich kann ja nur hoffen, daß ich von ernsthaften Problemen verschont bleibe das Jahr über. Irgendeinen Scheiß gibt es ja immer: Mal bist du erkältet, mal tut dieses oder jenes weh...

...das muß nichts heißen: Ihr neuer Mannschaftskapitän hat's mal im Magen, mal im Darm. Selbst mit feistem Hintern wird der noch Zweiter bei der Tour...

...also, lieber ein bißchen dick und dafür so schnell sein wie der Jan. Lassen wir das. Was ich noch sagen wollte: Jeder, natürlich auch ich, träumt davon, die Tour zu fahren – aber ob ich so weit komme?

Ist Ihr 18. Platz gar nicht so viel wert, wie wir glauben?

Wer war denn vorletztes Jahr 18.? An den erinnert sich doch keiner mehr. Für mich persönlich war der Erfolg schön, aber im Endeffekt interessiert es kein Schwein. Klar, Insider sehen: Der Mann hat Talent, der kann was – aber sonst?

Für Polti-Sportchef Gian-Luigi Stanga sind Sie der aufsteigende Stern am Himmel...

Für ihn war ich eben der große Macker, der „piu grande corredore“, der größte aller Fahrer, als ich bei der Tour vorne mitgefahren bin. Und wenn du am nächsten Tag schlecht fährst, fragen sie dich: „Oh, Mann, wozu habe ich dich bloß eingekauft?“ Für kleines Geld, wie es in Italien so üblich ist.

Was ist in Italien so üblich?

40.000 Mark im Jahr – so um den Dreh. Davon gehen 30 Prozent Steuern ab. Da bleibt nicht viel übrig. Und es ist nicht wie bei Telekom, daß man den ganzen Kleinkram bezahlt bekommt: Benzingeld, Spesen, das gibt es nicht.

Dann darf man gratulieren?

Sportlich gesehen ist das ja kein Karrieresprung. Sehen Sie sich den Weltcup 98 an: Polti Fünfter der Mannschaftswertung, Telekom Siebter. Das gibt sich nicht viel. Ich bin jedenfalls nicht zu Telekom gegangen, damit ich hier zu anderen oder besseren Rennen komme.

Wer als Ullrich-Helfer volle Kanne die Tour fahren soll, wird sowieso nicht zu vielen anderen Rennen kommen.

Ich werde mich jedenfalls nicht aufsparen. Ich versuche lieber, ein gutes Weltcup-Rennen zu fahren, als nur für die Tour zu trainieren. Es gibt nicht nur die Tour!

Und Sie haben keine Angst, daß nach diesem Geständnis ein genügsamerer Kollege mitdarf?

Klar gibt es jetzt Konkurrenzdenken. Aber es läuft nicht wie beim Fußball: Du spielst den mal halb hoch an und recht blöd dazu, und schon ist er der Idiot auf dem Platz.

Ihr Ex-Polti-Kollege Dirk Baldinger sagt, es ginge bei Telekom vor allem darum, daß sich die Neulinge „unterordnen“.

Ich denke, daß ich damit klarkomme. Aber man muß trotzdem immer man selbst bleiben. Es gibt genug Jasager. Ich bin nicht der Typ, der ständig herummosert, aber ich werde sagen, das und das paßt mir nicht. Egal, wie es bei Telekom läuft: Wer in Italien gearbeitet hat, ist es gewohnt, den eigenen Weg zu gehen...

...und kann dazu Italienisch.

Um so besser. So können sich wenigstens ein paar von uns mit den anderen unterhalten. Nehmen wir doch die zehn Hanseln, die pro Rundfahrt Deutsche sind: Die bleiben immer unter sich, weil die Italiener und die Franzosen in der Überzahl sind.

Vielleicht kommt man ja diesmal mit Deutsch durch: Pantani will nicht antreten, einige spanische Teams wollen streiken, Ullrich gewinnt sowieso...

...wer das glaubt, soll doch einen Haufen Geld darauf wetten. Vor drei Jahren hätte keiner gedacht, daß Ullrich Zweiter würde. Vielleicht kommt dieses Jahr irgend so ein Spanier aus der Versenkung und zieht in den Alpen herum, daß wir nur noch mit den Ohren schnackeln.

Solange nicht wieder ein spanisches Team kommt und die französische Polizei mit den Ohren schnackeln läßt...

...mit dem Festina-Skandal haben wir die große Chance bekommen, endlich richtig aufzuräumen.

Sagen Sie uns zum Schluß: Was können Sie sich denn jetzt alles leisten, was mit dem „kleinen italienischen Geld“ nicht drin war?

Ich werde Ihnen garantiert nicht erzählen, was ich bei Telekom verdiene. Sagen wir's so: Ich kann mir Putenwurst kaufen – früher gab's nur Bierschinken. Und vielleicht kaufe ich mir irgendwann eine Immobilie. Und noch was: Ich bin nicht wegen des Geldes zu Telekom gekommen.

Herr Jaksche, Sie geben uns Rätsel auf: Nicht die Karriere war's, noch der Mammon – sollen wir vermuten, daß Sie nur so schnell wie möglich den ersten großen Fehler machen wollten?

Ob es ein Fehler war, zu Telekom zu wechseln, werde ich in zwei Jahren sehen. Interview: Mirjam Fischer