Anruf von der Konkurrenz

■ Erst war es nur eine rührselige Geschichte. Nun warnen sich die Fernsehreporter gegenseitig vor den angeblich unseriösen Kollegen

„Paß auf, was du da einkaufst!“, sagte der Mann am Telefon. Es war Klaus Arth, Redaktionsleiter des „Reporter decken auf“-Magazins „Akte“ (Sat.1). Und am anderen Ende war Stefan Vaupel, auch TV- Reportagechef, aber bei Pro 7. Ein „Mitbewerber“ warnte den anderen. Und zwar einen, der immer dann auf Sendung geht, wenn bei der Konkurrenz von „Akte“ die zweite Werbepause ansteht.

Was war geschehen? Der Stern hatte eine Reportage veröffentlicht. Und noch eine. Über das Ex- Playmate Susan Scott und wie sie Kindern in den Slums von Haiti beim Überleben hilft. Auch der TV-Reporter Marcel Cornelius flog nach Haiti und drehte einen Film über das „Playmate in der Hölle“. Für Arte. Das alles war 1998. Und als auch das Sat.1-Magazin noch „Akte 98“ hieß, wollte in dessen Auftrag der freischaffende Reporter Holger Senft plötzlich herausgefunden haben, daß all das, was Stern und Arte über Scotts Mildtätigkeit wußten, nicht ganz richtig sei. „Akte“- Mann Ulrich Meyer sprach vor laufenden Kameras von „Ungereimtheiten“ im Stern-Bericht. Wer sich (siehe taz vom 12.12.98) aufmachte, das etwas uninspirierte Hin und Her zusammenzureimen, mußte feststellen, daß sich der Streit im Dickicht persönlicher Motive rund um die TV-Fälscher- Affäre „Michael Born“ verhaspelt.

Danach war's still geworden in Sachen Susan Scott. Bis Pro 7 im Rahmen einer sanften Programmreform ein neues Magazin installierte. Mit handfesten Reportagen – wie der von Marcel Cornelius, die sich schon damals auf Arte (wenngleich vor nur 75.000 Zuschauern) gut gemacht hatte.

Doch bevor am vergangenen Dienstag schließlich eine knappe Million Zuschauer Frau Scott abermals durch die Slums von 1998 gehen sahen, klingelte bei Pro 7 das Telefon. Am Apparat: Holger Senft – besser: Kollege Holger Senft, der, so Pro 7-Mann Vaupel, „kollegial darauf hinweisen“ wollte, daß Cornelius' Bericht nicht ganz korrekt wäre. Und während schließlich auch „Akte“-Chef Arth dem Pro 7-Kollegen seine Warnung mitgab, griff Senft nochmals zum Hörer. Er informierte eine große Tageszeitung, die sich daraus aber ebensowenig machte wie Pro 7. Schließlich hat Cornelius (der von einer „Rufmordkampagne“ spricht), nicht nur Papiere, die Senfts Anwürfe entkräften könnten. Er hat auch Anhaltspunkte dafür, daß wiederum Senft bei seinen Recherchen vielleicht weniger altruistisch und seriös zu Werke gegangen war, als er sagte.

Man mag lange spekulieren, wie effizient man Spendengelder einsetzt, wie reißerisch eine Elendsreportage sein darf und wie aktuell ein TV-Beitrag sein sollte. Warum Senft aber die Wohltätigkeit der „weißen Mama von Port-au- Prince“ (Stern) und die wohlmeinenden Berichte unbedingt erneut in Zweifel ziehen wollte, ist unerklärlicher denn je. Senft jedenfalls, derzeit für RTL 2 in Thailand, bleibt bei seiner Darstellung. Aber: Er könne sich irren. Vielleicht sei er das Opfer einer großen Verschwörung gegen Susan Scott geworden, von der er nichts wisse.

Susan Scott selbst, derzeit in München, sagte der taz: „Weil die Beiträge von Herrn Senft mittelbar dazu geführt haben, daß wir weniger Unterstützung erhielten, mußten Kinder sterben.“ Derlei kann „Akte“-Mann Arth nur albern finden.

Es ist eben eine schwierige Zeit für die Branche: Die „Titten, Trunkenheit und Trash“-Reportagen locken keine Zuschauer, keinen Werbekunden mehr aus der Reserve. Und gute Geschichten sind rar. So rar, daß Konkurrenten auch gern mal zu Kollegen werden. Auf daß sie noch rarer würden. Christoph Schultheis