„Er weiß überhaupt nicht, was draußen vorgeht“

■ Abdullah Öcalans Anwalt Ahmet Zeki Okçoglu über den Zustand des gefangenen PKK-Chefs

taz: Über Öcalans Gesundheitszustand kursieren wilde Gerüchte. Er soll einen Herzanfall erlitten haben. Wie geht es ihm?

Ahmet Zeki Okçoglu: Wir haben uns etwa 45 Minuten gesprochen, am letzten Donnerstag. „Wie steht es um Ihre Gesundheit?“ war meine erste Frage. „Mir geht es gut“, hat Öcalan geantwortet. Er sagte mir: „Ich habe überhaupt keine Herzbeschwerden. Ich habe nur ein Problem mit dem Atemsystem, schon von früher.“

Konnten Sie alleine mit ihm reden?

Nein. Zwei Meter von uns entfernt saß der regionale Chef der Sicherheitspolizei und hörte zu.

Was hat Öcalan Ihnen gesagt?

Er hat erneut erklärt, wie seine Auslieferung an die Türkei ablief. Er sagte: „Man hat mich gekreuzigt. Den ersten Nagel haben sie mir in Rußland eingeschlagen, den zweiten in Italien, den dritten in Griechenland und den vierten in Nairobi. Dort haben sie mich endgültig gekreuzigt und in die Arme der Türkei getoßen.“ Der griechische Botschafter habe „sich nicht so verhalten, wie es seine Pflicht gewesen wäre“, sagte er mir. „Ich habe ihm meinen Antrag auf politisches Asyl übergeben. Aber sie haben mich einfach den Kenianern übergeben.“

Hat Öcalan Kontakt mit der Außenwelt? Hat er Fernsehen, oder kann er Zeitung lesen?

Nein, er hat keinerlei Kontakt. Er weiß überhaupt nicht, was draußen vorgeht.

Fürchten Sie um sein Leben?

Unter den jetzigen Bedingungen ist es besser, wir sprechen nicht über solche Themen. Denn das würde nur Panik auslösen. Er selbst sieht seine Situation kritisch.

Hat er Ihnen gesagt, ob man ihm nach seiner Entführung Psychopharmaka gegeben hat?

Nein. Aber nach unserem zweiten Treffen hat sich mein Verdacht verstärkt, daß man ihm Psychopharmaka gibt. Sein psychischer Zustand war völlig anders. Als ich ihn das erste Mal sah, war er sehr stabil und ruhig, während er jetzt sehr viel Angst hatte. Beim Reden änderte sich ständig die Lautstärke seiner Stimme. Er hatte Angst, aber wenigstens war er normaler.

Kurz nach seiner Festnahme hatte die Zeitung Hürryiet beschrieben, Öcalan habe akzeptiert: „Jetzt sehe ich, daß wir leeren Träumen nachgejagt sind, daß wir in einer Sackgasse angelangt sind.“ Ziehen Sie aus Ihren Gesprächen mit ihm den Schluß, daß er seinen Weg tatsächlich bereut?

Nein, nein. Er hat mir erklärt, daß er schon seit vielen Jahren versucht habe, einen Weg vom Krieg zum Frieden zu finden. „Jetzt muß unsere Sache mit friedlichen Mitteln zu Ende gebracht werden. Ich habe meinen Leuten die Anweisung gegeben, sich zu verteidigen und keine taktischen Angriffspläne zu entwickeln“, sagte er mir. Und ich hatte den Eindruck, daß ich mit einem Menschen spreche, der Demokrat ist und Frieden will.

Das Interview führte G. I. Allamanis für die griechische Zeitung Vima (Übersetzung: Niels Kadritzke).