Vom Fall eines Anti-Apartheid-Helden

■ Der einst prominente südafrikanische Kirchenmann Allan Boesak muß heute mit der Verurteilung wegen Korruption rechnen

Kapstadt (taz) – Die Szene erinnerte an alte Zeiten. Der Anti-Apartheid-Kämpfer war von Hunderten seiner Anhänger umgeben. Kämpferische Parolen schwirrten durch die Luft. „Ich werde weiter Seite an Seite mit euch kämpfen“, versprach der Ankömmling. Und: „Ich bin unschuldig.“

Davon war die Menge, die Allan Boesak im März 1997 auf dem Kapstädter Flughafen einen triumphalen Empfang bereitete, ohnehin überzeugt. Auch der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) unter Nelson Mandela hieß das prominente Parteimitglied willkommen. „Weil es Männer wie Boesak gab, die alles opferten, haben wir heute eine Demokratie in Südafrika“, sagte der Justizminister und Mitkämpfer in Apartheidzeiten, Dullah Omar.

Doch der Anlaß für Boesaks Rückkehr nach Südafrika war nicht etwa eine Urlaubsreise: Der prominente Kirchenmann wurde gemeinsam mit seinem Buchhalter Freddie Steenkamp in insgesamt 32 Punkten des Diebstahls und Betrugs angeklagt. Heute, fast zwei Jahre später, wird ein Gericht in Kapstadt das Urteil gegen Boesak fällen – nach einem Verfahren, das ein Lehrstück ist von einem moralischen Helden, der offenbar nicht gefeit war vor den Verführungen des Lebens.

Als Vorsitzender der gemeinnützigen „Stiftung für Frieden und Gerechtigkeit“ soll Boesak Millionen veruntreut haben. Und er soll sich auch selbst großzügig bedient haben. Stiftungsgelder wanderten beispielsweise nicht in einen dafür bestimmten Kinderfonds oder in Wählerausbildung, sondern in teure Autos und Hauseinrichtungen oder in ein Studio für Boesaks Frau.

Unter den Spendern an die Organisation, die armen Schwarzen in den Elendsvierteln von Kapstadt helfen sollten, waren beispielsweise der Rockstar Paul Simon und die Entwicklungshilfeorganisationen der dänischen und der norwegischen Kirche. Die Dänen waren es auch, die 1994 erstmals öffentlich Verdacht äußerten.

Nelson Mandela aberhielt schützend seine Hand über den Mann, den er als UN-Botschafter nach Genf schicken wollte. „Er ist einer der talentiertesten Männer in diesem Land und hat einen hohen Posten verdient“, erklärte der Präsident, nachdem eine von der Regierung eingesetzte Kommission Boesak von allen Vorwürfen freigesprochen hatte. Vorzuwerfen sei ihm lediglich Mißmanagement.

Die dänischen Geber waren damit jedoch nicht zufrieden und strengten eine unabhängige juristische Untersuchung an. Danach entschied die Staatsanwaltschaft in Kapstadt, Anklage zu erheben, und Boesak mußte alle politischen Ambitionen vorerst begraben.

Bereits als junger Reformtheologe hatte Boesak gegen die Apartheidideologie gekämpft. Als sogenannter Mischling wuchs er in der Kapregion auf und hatte dort seine Anhängerschaft. Berühmt wurde er zu Beginn der 80er Jahre, nachdem er als einer der ersten Kirchenleute dafür eintrat, die Rassendoktrin zur Häresie zu erklären. Boesak wurde 1982 zum Präsidenten des Reformierten Weltbundes gewählt. Mehrmals wurde er in den 80er Jahren von den weißen Machthabern verhaftet.

Die zeigten auch ein reges Interesse an seinem Privatleben. 1990 mußte er seine Kirchenämter niederlegen, nachdem bekanntgeworden war, daß er als verheirateter Mann eine Affäre mit der Nichte eines weißen Ministers hatte. Elna Botha ist heute seine Frau. Dem ANC schloß sich Boesak erst im Jahr 1991 an, ein Jahr nach dessen Wiederzulassung.

Viele in der Partei sind der Meinung, daß mit Boesak der gesamte Befreiungskampf auf der Anklagebank steht. Ein monatelanges Feilschen darum, wer die Prozeßkosten trägt, empfanden die alten Mitstreiter als zusätzlich entwürdigend. Boesak selbst, der den Gerichtssaal stets ostentativ händchenhaltend mit seiner Frau verließ, beteuert bis heute seine Unschuld.

Selbst ausgesagt hat er nicht in dem Verfahren. Ein Teil der Anklage allerdings fiel zusammen wie ein Kartenhaus, als sein ehemaliger Buchhalter Freddie Steenkamp im Kreuzverhör zugab, Boesak unter Eid falsch beschuldigt zu haben. Dessen Verteidiger plädierten ebenfalls für seine Unschuld: Wenn es Unregelmäßigkeiten in der Stiftung gegeben habe, dann ohne sein Wissen. Kordula Doerfler