„Die SPD braucht jetzt keine Schnellschüsse“

■ Die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles über die schlechte Arbeit von Kanzleramtsminister Bodo Hombach und die Diskussionen in der SPD über eine Kursänderung der Partei nach Lafontaines Abgang

taz: Sie fordern den Rücktritt von Kanzleramtsminister Bodo Hombach. Soll das ein Ausgleich für den Verlust Lafontaines sein?

Andrea Nahles: Dieser Verlust ist nicht auszugleichen, schon gar nicht mit Hombach. Nein, darum geht es nicht. Bodo Hombach steht aber für eine Reihe von Schwachstellen im Kanzleramt, die behoben werden müssen.

Woran denken Sie da?

Es hat eine ganze Reihe von Indiskretionen gegeben, die offensichtlich aus dem Kanzleramt kamen. Außerdem hat sich Hombach zu sehr in inhaltliche Fragen eingemischt. Ein Beispiel: Die Atomnovelle war mit Trittin schon abgesprochen, danach ist das Ganze im Kanzleramt aber relativiert worden. So ist unnötig eine Koalitionskrise heraufbeschworen worden. Hombachs Aufgabe ist es, die Regierungsarbeit zu koordinieren.

Man hat den Eindruck, Sie schlagen auf Hombach ein, weil Sie sich an Schröder nicht herantrauen. Lafontaines Abgang scheint die Linken in der SPD geschwächt zu haben.

So kraß sehe ich das nicht. Lafontaine war nie der Sprecher der SPD-Linken. In Fragen des Asylrechts oder der Außen- und Sicherheitspolitik hatte er in den letzten Jahren zum Teil andere Vorstellungen als wir. Wahr aber ist auch, daß die Linken mit Lafontaine jemand verloren haben, der ein Massenpublikum erreicht hat. Gerade auf dem Gebiet der Finanz- und Wirtschaftspolitik werden wir zu spüren bekommen, was sein Abgang für uns bedeutet.

Fühlen Sie sich von Lafontaine im Stich gelassen?

Was hätte er denn machen solleb? Hätte er sich querlegen und öffentlich einen Richtungsstreit inszenieren sollen? Ich finde, daß er sich, gerade in seiner Erklärung vom Sonntag, sehr fair verhalten hat. Mit seinem Abgang hat er der SPD am wenigsten geschadet. In dieser Situation trifft der Spruch zu: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

In der SPD beginnt gerade eine Dikskussion über eine Kursänderung der Partei, insbesondere in der Steuer- und Finanzpolitik. Sehen Sie dafür einen Anlaß?

Ich halte es für fahrlässig, daß sich manche in der SPD für eine Senkung der Körperschaftssteuer und gewerblichen Einkommenssteuer auf 28 Prozent aussprechen. Schließlich fehlen uns 20 Milliarden Mark, die wir wegen des Karlsruher Familienurteils aufbringen müssen. Mit Schnellschüssen haben wir unsere Erfahrungen gemacht. Wir sollten uns davor hüten, damit fortzufahren. Interview: Severin Weiland