Neues Staatsbürgerschaftsrecht so gut wie perfekt

■ Bonner Kabinett beschließt rot-grünes Reformkonzept. FDP kündigt für diesen Gesetzentwurf ihre Unterstütztung an. Union erwägt Klage vor dem Bundesverfassungsgericht

Bonn (taz) – Das neue Staatsbürgerschaftsrecht ist so gut wie unter Dach und Fach. Gestern hat das Bonner Kabinett dem zwischen Innenminister Otto Schily (SPD) und der Landesregierung von Rheinland-Pfalz ausgehandelten Kompromißentwurf zugestimmt. Am Freitag kann das Gesetz in erster Lesung im Bundestag beraten werden.

Den Gruppenantrag kann jeder Volksvertreter durch Unterschrift unterstützen. Bis auf wenige Ausnahmen werden dies die Abgeordneten von SPD und Grünen auch tun. Die FDP wird ebenfalls dem Antrag zustimmen. Das Gesetzespaket konnte nur mit dem Segen der Liberalen zustande kommen. Sie sind in Rheinland-Pfalz zusammen mit der SPD an der Regierung. Ohne ihren Zuspruch wäre ein Scheitern im Bundesrat vorprogrammiert, denn nach der Hessen-Wahl hat Rot-Grün die absolute Mehrheit in der Länderkammer verloren.

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle apellierte an die CDU/CSU-Fraktion, den Kompromiß zu unterstützen. „Ich hoffe sehr, daß Wolfgang Schäuble die Abstimmung freigeben wird“, sagte Westerwelle der taz. Er selbst und Parteichef Wolfgang Gerhardt haben ihrer Fraktion gestern empfohlen, dem Gruppenantrag ihre Stimme zu geben.

CDU-Fraktionsvize Jürgen Rüttgers hat jedoch nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken. Eingeführt werden soll das Optionsmodell. Ausländische Kinder, die seit der Geburt zwei Pässe besitzen, sollen sich zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Die Union sieht darin einen Verfassungsbruch nach Paragraph 16 des Grundgesetzes. Ein „Entzug“ der Staatsbürgerschaft ist danach verboten. Befürworter der Optionslösung verweisen jedoch darauf, daß ein „Verlust“ unter Umständen vertretbar sei. Und zwar dann, wenn sich der Betreffende frei entscheiden könne, wie Schily gestern vor der Presse erklärte. Bei der Optionslösung werde niemand gezwungen, seinen deutschen Paß aufzugeben. Bedingung sei aber, daß der alte abgegeben werde, wenn sich jemand für die deutsche Staatsangehörigkeit entscheidet.

Die FDP hat keinen Zweifel, daß der Entwurf einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten wird. Der Entwurf sei verfassungskonform, sagte Westerwelle. Wenn aber die Expertenanhörung ergebe, daß hier und da noch geglättet werden müsse, werde man dies ernst nehmen. „Ansonsten bräuchten wir keine Expertenanhörungen.“

Die Unions-Fraktionen wollen sich darauf nicht verlassen. Sie kündigten gestern an, einen eigenen Entwurf in den Bundestag einzubringen, der in Deutschland geborenen Ausländerkindern eine Einbürgerungsgarantie ab dem 18. Lebensjahr zusichert. Ob sie dafür allerdings eine Mehrheit in den eigenen Reihen finden, ist mehr als fraglich. Immerhin haben sowohl Volker Rühe als auch Heiner Geißler in den letzten Tagen Sympathie für das Optionsmodell bekundet. In der vergangenen Legislaturperiode haben sich 150 CDU- Abgeordnete für die von der FDP eingebrachte Optionslösung ausgesprochen. Thorsten Denkler