„Die Arbeit der Kommission ist hocheffizient“

■ Wilfried Telkämper, Abgeordneter der Grünen im EU-Parlament, fordert parlamentarische Kontrollen für die EU-Kommission. Personalfragen sollten nicht auf Berliner Gipfel entschieden werden

taz: Der sogenannte „Rat der Weisen“ hat wiederholt, was Rechnungshof und Parlament seit Jahren bemängeln – und schon tritt eine Kommission zurück. Wie erklären Sie sich das?

Wilfried Telkämper: Bisher war das Europäische Parlament zu schwach, es ist immer noch zu schwach. Mit der Institution eines „Rates der Weisen“ ist ein solcher Druck entstanden, daß sich die EU-Kommission dem nicht mehr entziehen konnte. Bisher hat sie gegenüber den Volksvertretern die Kritik immer arrogant lächelnd ad acta gelegt.

Was bedeutet der Vorgang für die Kräfteverteilung in Europa? Ist das Parlament noch immer ein zahnloser Debattenclub?

Wir benötigen jetzt schnell ein Parlament mit Kontrollrechten, mit eigenständiger Akteneinsicht. Statt des Rates der Weisen hätte ich mir einen Parlamentsausschuß gewünscht, der die ganzen Mißstände öffentlich macht.

Wie werden die Menschen bei den Europawahlen im Juni reagieren? Mit Vertrauen für die Unbestechlichen oder mit noch mehr EU-Verdrossenheit?

Wir müssen in den nächsten drei Monaten eine politische Öffentlichkeitsarbeit aufbauen, die den Wählerinnen und Wählern Brüssel nicht als schwarzes Loch erscheinen läßt, sondern die Forderung nach Demokratie und Gewaltenteilung in den Vordergrund rückt und damit zur Teilnahme an der Wahl ermutigt.

Der Schock sitzt tief – aber schon wird über Nachfolger spekuliert. Sollte nicht erstmal über die Strukturprobleme geredet werden, die der Bericht so hervorhebt?

Im Gegensatz zu der populistischen Meinung vieler Kolleginnen und Kollegen halte ich die Arbeit der Kommission insgesamt für höchst effizient. Die gesamte Kommission ist nicht größer als das Bundeswirtschaftsministerium oder die Verwaltung der Stadt Hannover. Wir müssen aber Kontrollmechanismen einbauen, und wir dürfen die großen Aufgaben wie Osterweiterung oder Mittelmeerpolitik nicht wie jüngst geschehen über Consultings ausführen lassen. Das schafft Begehrlichkeiten.

Wann sollte die neue Kommission gewählt werden?

Wir dürfen auf keinen Fall den Agenda-2000-Prozeß durch die Neuwahl gefährden. Deshalb sollte der Berliner Gipfel von Personalfragen freigehalten werden. Da bin ich anderer Meinung als meine Fraktionskollegin Edith Müller. Wir brauchen zunächst eine neue Interimspräsidentin und müssen dann nach den Regeln des Amsterdamer Vertrags, die ab Juni gelten, im neuen Parlament die neue Kommission wählen. Im Bericht steht klipp und klar: Die Kommissison kann das viele Geld, das sie zur Verfügung hat, nicht sinnvoll ausgeben.

Muß die Forderung nicht heißen: Weniger Geld für Europa?

Es gibt weit mehr Bedürftigkeit als die Kommission an Geld hat. Das Problem ist ein Personalproblem und ein Kontrollproblem. Ein Beispiel: In Cannes hat uns der Rat das Mittelmeerprogramm MED aufgezwungen, ohne dafür Finanzmittel bereitzustellen und sich darüber Gedanken zu machen, wer es durchführen und kontrollieren soll. Es ist dann ganz logisch, daß die Kommission überfordert ist.

Interview: Daniela Weingärtner