Koalitionsspiele vor dem Bundesrat

■ Scherf und Perschau über Steuerreform uneins / Glogowski will „die Bundesregierung nicht der Opposition ausliefern“

Wenn am Freitag dieser Woche der Bundesrat in Bonn über die Steuerreform abstimmt, dann kommt es zum letzten Mal nicht darauf an, ob die beiden dort anwesenden Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Hartmut Perschau (CDU) sich auf eine einheitliche Stimmabgabe einigen können, oder, was wahrscheinlicher ist, daß die Bremer Stimmen bei der Abstimmung fehlen – es kommt im Bundesrat auf die erforderliche Mehrheit der „Ja“-Stimmen an, „Enthaltungen“ zählen wie „Nein“-Stimmen. Wenn die SPD-regierten Bundesländer sich mit dem neuen Bundesfinanzminister Hans Eichel verständigen, dann hat die Bonner Koalition auch ohne die Bremer Stimmen eine Mehrheit – Hans Eichel hatte noch als abgewählter, aber amtierender hessischer Ministerpräsident dem früheren Finanzminister Oskar Lafontaine versprochen, das Stimmrecht im Bundesrat ein letztes Mal wahrzunehmen, um der Steuerreform auf den Weg zu helfen. Der Bremer Senat hat sich am Dienstag nicht auf eine Position einigen können. Bis Freitag geht das Tauziehen der Länder um das Steuerpaket weiter.

Bremen ist zum Beispiel betroffen, weil der Bund die Subventionierung der Airbus-Entwicklung kürzen will. Beteiligte sich bisher der Bund mit 50 Prozent an den Entwicklungskosten, so soll dieser Anteil auf 20 Prozent zurückgeführt werden. Den betroffenen Ländern hat das Bundesfinanznministerium nahegelegt, sich ihrerseits mit weiteren 20 Prozent zu beteiligen, über die Kürzung von unter dem Strich 10 Prozent scheint es mit dem DaimlerChrysler-Konzern Einvernehmen zu geben.

Für den Bremer Landeshaushalt wären das allerdings ca. 35 Millionen Mark im Jahr. Bayern, Niedersachsen, Hamburg sind auch betroffen, wenn auch weniger schmerzlich, weil der Posten in einem großen Landeshaushalt weniger gewichtig ist, oder weil sie weniger Entwicklungs-Anteile haben. Aber dennoch könnte es möglich sein, daß sich hier Bayern mit den SPD-regierten Ländern verbündet.

Im Berliner Senat hat Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) „die Koalitionskarte gezogen“, teilte Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit. Sie ihrerseits ist optimistisch, daß das Steuerentlastungsgesetz im Bundesrat auch ohne die Berliner Stimmen eine Mehrheit findet. Die SPD-regierten Länder Niedersachsen und Brandenburg wollen zustimmen. Das rot-rot regierte Sachsen-Anhalt und das sozialliberal regierte Rheinland Pfalz müssen sich dagegen auf Verlangen der jeweiligen Koalitionspartner enthalten.

Bayern dagegen will bei der Bundesratssitzung eine Anrufung des Vermittlungsausschusses wegen der Steuerreform, der Ökosteuer und der 630-Mark-Jobs durchsetzen. Das will aber der Niedersachse Gerhard Glogowski mit eindeutiger Begründung nicht: Bei einer Anrufung des Vermittlungsausschusses könnten die Gesetze erst nach dem Regierungswechsel in Hessen, wo die bisherige rot-grüne von einer CDU/FDP-Koalition abgelöst wird, behandelt werden Niedersachsens SPD-Landesregierung wolle die Bundesregierung aber nicht der Opposition ausliefern.

Bremens Finanzsenator hatte am Dienstag noch die bayerische Linie vertreten. Er hat ein Problem: Wenn er zu deutlich in der CDU-Loyalität agiert, dann könnte das für den designierten neuen Bundesvorsitzenden der SPD, Gerhard Schröder, ein Argument sein, nach den Bremer Bürgerschaftswahlen in Bremen auf eine Koalitionsbildung zu drängen, die die Bonner Regierungstätigkeit erleichtert. Dann nämlich werden die Bremer Stimmen für die Mehrheitsbildung gebraucht. K.W.