Gebimmel, Gemurmel und ein wenig Rimbaud

■ Böse grummelnde Beats aus der Steinzeit und Cut-ups mit Baudelaire und Shakespeare – A-Poetik aus der Schweiz tummeln sich irgendwo zwischen Tanzboden und Kunstgalerie

Sonderlich aufgewühlt wirkt Lucca Forcucci nicht. Dabei ist in der Nacht vor dem Interview sein Club ausgebrannt. Sieben Jahre lang hat man in der schweizerischen Kleinstadt La Chaux-de- Fonds das Bikini Test betrieben, nun „wissen wir noch nicht genau, was wir machen werden“. Sicher ist immerhin: Weil der Clubchef auch DJ ist, wird er mit den Kollegen von A-Poetik erst mal auf Tour durch Deutschland gehen. Gegründet wurden A-Poetik im Dezember 1996. Zuerst agierte man als loses Projekt, dem Video- und Performancekünstler zuarbeiteten. Inzwischen hat man sich zum Quartett verfestigt, jedenfalls soweit man bei einem „Künstlerkollektiv“, wie Forcucci es nennt, von festen Formen sprechen kann. Live auf der Bühne agieren DJ Forcucci, Gitarrist Nicolas Zimmerli, der mit ihm zusammen das Bikini Test betreibt, und Vokalist Massimiliano Baldassari, während Toningenieur Stephan Mercier sich hinterm Mischpult versteckt.

Wenn Forcucci als DJ arbeitet, legt er „Drum & Bass, TripHop, manchmal auch Soul, Jazz, Funk, elektronische Sachen“ auf. In der Musik von A-Poetik kann man das noch als Ahnung hören. Wie ein Archäologe scheint das Schweizer Quartett das verschüttete Gedächtnis der elektronischen Klangerzeugung zu durchforsten. Dort stößt man auf Scherben, Relikte, Bruchstücke, die so roh, wie sie gefunden wurden, bestenfalls leicht sauber gebürstet, nun wieder ausgestellt werden. Böse grummelnde Beats aus der Steinzeit, das Gebimmel halbmoderner Sequenzer, das Gemurmel einer frühen Synthesizergeneration. „Sehr aufgeschlossene elektronische Musik“ nennt das Forcucci. Das Ergebnis ist unentschieden zwischen Dance- Music, Kunstexperiment und Hörspiel. „Irgendwas zwischen Readymade und Performance“, meint der Künstler selbst.

Was mit den Klängen beginnt, setzt sich im Wort fort. „Wir versuchen bei den Texten dasselbe wie in der Musik“, sagt Forcucci, „so, wie der Sampler in der Musik eingesetzt wird, versuchen wir auch Wörter zu benutzen.“ Dazu nimmt man sich alte, neue, fremde und eigene Texte, wirft sie zusammen und schneidet sie wieder auseinander. „Es ist ein Cut-up aus Rimbaud, Baudelaire, solchen Leuten, aber auch ein bißchen Shakespeare und ein paar eigene Texte“, erzählt Forcucci. Vokalist Baldassari spricht diese Texte auf italienisch, englisch und französisch. Mit Rap hat das kein bißchen zu tun, hier rult eher noch good old Dichterlesung.

Was soll's: Nicht erst seit gestern ist elektronische Musik nicht mehr nur auf den Tanzböden dieser Welt zu Hause, längst schon hat sie sich Ohrensessel und Museen erobert. A-Poetik repräsentieren ausdrücklich den Scheitelpunkt dieser Entwicklung, sowohl musikalisch als auch personell. „Irgendwo zwischen Kunst und Konzert“ befinde man sich, hat Clubbetreiber Forcucci festgestellt, und ebensooft wie in Clubs treten A-Poetik in Galerien auf. So sperrig ihre Musik ist, so ungeeignet zum Tanzen ist sie auch. „Es geht nicht um normale DJ-Musik“, sagt Forcucci. Dafür hat er ja schließlich seinen Club. Oder: Hatte seinen Club. „Wir werden ihn wieder aufbauen“, verspricht er. Thomas Winkler

Mit Fuzz und Orbital Dolphins am 18.3. um 21 Uhr im Non Tox, Mühlenstraße 12, Friedrichshain