Die Euro-Helden

■ Wir befinden uns im Jahre 1999. Ganz Europa ist von der amerikanischen Filmindustrie besessen. Ganz Europa?

Das wollen wir doch mal sehen. Denn der Film mit dem kleinen schlauen und dem dicken Gallier tritt als deutsch- französisch-italienische Koproduktion gegen die Römer, äh, die Hollywood-Abräumer an. 90 Millionen Sesterzen kostete er, gedreht wurde in den Geiselgasteiger Bavaria Studios, die Besetzung ist international-europäisch. Sogar auf ein paar „digitale Spezialeffekte“ weist der Computerchef stolz hin. René Goscinny würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das wüßte. Seine Tochter Anne ist jedenfalls überzeugt, daß ihr Vater die Verfilmung abgelehnt hätte. Und Albert Uderzo rümpfte die Nase über die beiden früheren Versuche, den Kult-Comic zu verfilmen, der erste scheiterte an den passenden Schauspielern, beim zweiten wollte Louis de Funès den Asterix ohne Bart spielen. Ohne Bart!! „Auch dieses Vorhaben war damit gestorben“, bekannte Uderzo lakonisch.

Fast so dick wie Obelix und genauso stur

Aber jetzt ist alles anders. Das Drehbuch, von Regisseur Claude Zidi nach Originalgeschichten geschrieben, überzeugte die Asterix- Zuständigen und zum Beispiel Gérard Depardieu. Der ist fast so dick beziehungsweise gut gebaut wie Obelix, bestimmt genauso stur und trinkt Wein, wie der rothaarige Gallier Wildschweine verputzt. Gallischer kann man gar nicht sein. Mit Dépardieu hat Zidi die wichtigste Rolle sicher nach Hause gebracht, schade, daß er beim Asterix-Darsteller danebentraf. Christian Clavier ist zwar Franzose, und blonde Zöpfe stehen ihm wie angewachsen, aber für einen anständigen Asterix ist er einfach zu groß und zu muskulös. Und so richtig clever ist er auch nicht. Denn obwohl das Abenteuer, das die Helden und Subhelden (Troubardix, Miraculix etcetera) bestehen müssen, ein eher uninspirierter Mix aus bekannten Geschichten und damit nur zu vorhersehbar ist, haben Asterix und Obelix größte Schwierigkeiten. Der Zaubertrank fällt den Römern in die Hände, oh Gott, pardon, Teutates, und außerdem ist Obelix in Falbala verknallt. Story: „sechs“, doch Nebendarsteller: „eins“.

Julius Caesar zum Beispiel, wer hätte gedacht, daß es jemanden gibt, der dem römischen Imperator aus dem Comic so ähnlich sieht, daß er quasi nur noch einen Lorbeerkranz aufsetzen muß, um perfekt zu sein? Man wird Gottfried John nie wieder eine andere Rolle abkaufen wollen, vergessen sind „Goldeneye“ und „Bin ich schön?“ und „Berlin Alexanderplatz“. Oder der stulle Hardy Krüger jr., der als Tragicomix, Falbalas Geliebter, ganz kurz seinen Oberkörper ins Bild halten darf: prima. Marianne Sägebrecht sieht zwar so aus, wie Gutemine aussehen könnte, bayert aber zu stark – und das ist die zweite große Schwäche des ambitionierten Films: die Sprache. Dépardieus Synchronsprecher hat eine viel zu intellektuelle Stimme für den Hinkelsteinlieferanten, und auch John klingt nicht im entferntesten römisch, sondern wie Tatort. Trotzdem ist man während der ersten Stunde mit dem Bewundern der Schauspieler und des hübschen Sets gut beschäftigt: Ein großer, künstlicher Baum steht auf dem Dorfplatz, und all die kleinen und großen Accessoires wie Fische, Schilde oder Zöpfe sind schön übertrieben und comicartig. Die Geschichte trödelt derweil dahin, während die Kamera etwas zu schnell durch die Kulissen fliegt und Roberto Benigni den Römer Tullius Destructivus spielt, der ganz viele langweilige, aber lustig gemeinte Dialoge hat.

Der 200 Jahre alte Zausel in der Felsspalte

Dann aber, fast am Ende des Films, suchen die Helden und Miraculix einen uralten Druiden namens Patriarchix auf, und das ist der eigentliche Höhepunkt der Geschichte und übrigens auch die einzige eigene Idee von Regisseur und Drehbuchautor Zidi. Den 200 Jahre alten Zausel findet man nämlich in einer Höhlenspalte, am Ende eines langen Bartes, und als Obelix daran zieht, kommt ein verhutzeltes kleines Männchen zutage, das vor sich hin kichert und auf dessen zugewachsenem Gesicht Pilze, Moos und Gräser sprießen. Ob eine gute Idee allerdings reicht, um gegen gigantomane Hollywood-Comic-Produktionen wie „Batman“ oder „Blade“ anzustinken, wird man sehen. Ansonsten kann sich über den Film vor allem amüsieren, wer die Comics nicht kennt, nur – gibt es da überhaupt jemanden? Jenni Zylka

„Asterix & Obelix“, Buch und Regie: Claude Zidi. Mit Gérard Depardieu, Roberto Begnini, Gottfried John, Marianne Sägebrecht u.a., F/D/I 1998, 110 Min.