■ Kosovo: Die Nato muß mit ihrer Drohung gegen Belgrad Ernst machen
: Konsequent bleiben

Im Kosovo sollte sich der Fehler von Bosnien nicht mehr wiederholen. Darin war man sich hierzulande einig und deshalb weitgehend einverstanden, mit Bombenangriffen auf Ziele in Serbien zu drohen. Werden aber, wenn Milošević den Vertrag von Rambouillet nicht unterschreibt, Gesellschaft und Politiker auch bereit sein, die Nato zu unterstützen, wenn sie ihre Ankündigung wahr macht?

Sicherlich, das gesellschaftliche Bewußtsein hat sich gewandelt. Im letzten Jahr setzte sich die Erkenntnis durch, daß Deklarationen des Völkerrechts wenig nützen, wenn sie nicht umgesetzt werden. Desgleichen die Einsicht, daß ein völkerrechtlich abgesichertes Mandat der Vereinten Nationen nutzlos ist, wenn deren Struktur verhindert, dem Recht auf Leben einer bedrohten Bevölkerung Geltung zu verschaffen. Es verdient Anerkennung, daß die Realpolitiker der „westlichen Wertegemeinschaft“ und der alten und neuen Bundesregierung auf die zögerlichen Weltsicherheitsratsmitglieder Rußland und China einzuwirken versuchten, ohne das Gesamtsystem der UNO zu sprengen. Von einem Bruch des Völkerrechts spricht heute kaum noch jemand. Die schon am Ende des Bosnienkrieges durchgesetzte Politik der Kombination von militärischen Drohungen und Diplomatie konnte umgesetzt werden und mündete in die Verhandlungen von Rambouillet.

Man erkannte: Gegenüber Politikern wie Milošević kann ein Friedensabkommen nur mittels eines effektiven Überwachungssystems, sprich: der Stationierung von Nato-Truppen durchgesetzt werden. Damit wurde eine Konsequenz aus dem Scheitern der OSZE-Mission des letzten Herbstes gezogen. 2.000 unbewaffnete Beobachter konnten weitere Massaker und Kämpfe nicht verhindern.

Die Stationierung von Nato-Truppen würde die Macht des serbischen Staatsapparats, die Voraussetzung für das Apartheidsystem ist, brechen. Deshalb verweigert sich Milošević der Stationierung internationaler Truppen unter Nato-Kommando in der Bundesrepublik Jugoslawien. Deshalb schlägt er eine Erweiterung der zahnlosen OSZE-Mission vor, die seinem Herrschaftssystem nicht weh tun würde.

Auch die Kosovo-Albaner zögerten bislang, da sie ihr Schicksal in die Hände der internationalen Gemeinschaft legen müßten. Aber Nato-Truppen würden die UÇK daran hindern, ihre Rachegelüste gegenüber der serbischen Zivilbevölkerung auszuleben. Nicht zuletzt deshalb gibt es keine vernünftige Alternative zum Friedensvorschlag von Rambouillet und zur Stationierung von Nato-Truppen im Kosovo.

Jede Verzögerung dabei, den Drohungen Taten folgen zu lassen, würde den Krieg verlängern. Ohne eine konsequente Haltung der Nato würde im Kosovo künftig noch viel Blut vergossen werden. Werden die Politiker zu ihrem Wort stehen, Bombenangriffe auf Stellungen der jugoslawischen Armee fliegen zu lassen, wenn nicht unterschrieben wird?

Die Geschlossenheit der westlichen Gemeinschaft bröckelt. Allein die Drohung mit Bombenangriffen sollte Milošević zur Unterschrift zwingen. Die Konsequenzen im Fall eines Neins wurden verdrängt. Entsprechend unentschieden handelten viele westliche Politiker. Warum wurde nicht einmal gegen den Einmarsch jugoslawischer Truppen in das Kosovo protestiert? Wurde damit nicht das Holbrooke-Milošević- Abkommen vom letzten Herbst eindeutig gebrochen? Wurde Milošević dadurch nicht ermutigt, seine Truppen an der Grenze zu Makedonien gegen Nato- Truppen aufmarschieren zu lassen?

Milošević weiß, daß eine Auseinandersetzung begonnen hat, die mit einem Konflikt zwischen den europäischen Mächten und den USA nur unzureichend umschrieben ist. In Europa wie in den USA gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Konsequenzen eines Scheiterns von Rambouillet. Nun ist auch die deutsche Gesellschaft gefordert: Sie muß Verantwortung übernehmen und jene Politiker stärken, die konsequent durchsetzen, was vernünftig ist. Erich Rathfelder