Buhlen um die Gunst von Milošević

Nach erfolglosen Gesprächen in Paris werden Vertreter der Kontaktgruppe Jugoslawiens Präsidenten erneut aufsuchen. Mit welchen Offerten, ist offen  ■ Aus Paris Andreas Zumach

Bei der Pariser Kosovo-Konferenz gab es auch gestern keine Anzeichen für ein Einlenken der serbischen Delegation. Neben der kompromißlosen Ablehnung einer Stationierung jeglicher Art ausländischer Streitkräfte im Kosovo bestanden die Serben auf weitreichenden Änderungen im politischen Teil des Autonomieplans der Balkankontaktgruppe.

Nach Angaben aus Vermittlerkreisen der Kontaktgruppe beziehen sich die serbischen Änderungsforderungen auf rund 70 Prozent des Textes. Unter anderem wollen sie die Kompetenzen eines künftigen Parlaments der autonomen Provinz Kosovo erheblich einschränken – zugunsten Belgrads. Auch soll es keine von Belgrad unabhängigen Justizbehörden geben. In die geplanten Polizeiverbände der Albaner sollen keine ehemaligen Kämpfer der UÇK aufgenommen werden. Weiter lehnen die Serben die Garantien für eine Rückkehr der rund 400.000 vertriebenen, überwiegend albanischen, Zivilisten ab. Eine Zuständigkeit des Jugoslawientribunals in Den Haag für Untersuchung und Verfolgung der im Kosovo verübten Kriegs- und Völkermordverbrechen soll ausgeschlossen werden.

Die Vermittler haben den Serben bislang nur die Veränderung öffentlich nicht näher erläuterter „technischer Details“ angeboten. Damit derartige Änderungen formal noch möglich sind, wurde die kosovo-albanische Delegation von den Vermittlern gebeten, mit der formellen Unterzeichnung des Autonomieplanes zu warten. In der kosovo-albanischen Delegation wächst die Sorge, die Vermittler könnten sich noch zu grundlegenden Veränderungen des Plans bereit finden, in der Hoffnung, die Zustimmung der Serben für den Gesamtplan zu gewinnen. „Dann würden wir unsere Zustimmung zurückziehen“, heißt es in der kosovo-albanischen Delegation. Auch in Kreisen der Vermittler wächst der Verdacht, daß die serbische Delegation unter Anweisung von Präsident Milošević auf dieses Szenario hinarbeitet – und er Zeit gewinnt für die Verstärkung seiner Streitkräfte im Kosovo.

Frankreichs Präsident Jaques Chirac erklärte gestern morgen, die Konferenz solle noch bis einschließlich Freitag fortgesetzt werden. Danach ist noch einmal mit einer mehrtägigen Reisediplomatie hochrangiger Emmissäre aus den Hauptstädten der Kontaktgruppenstaaten zu Gesprächen mit Milošević zu rechnen. Was diese Emissäre Milošević noch anbieten können, ist auch den Vermittlern in Paris völlig schleierhaft.

Denn schon bei den diversen Belgrader Treffen wurden alle denkbaren positiven Anreize für Milošević vergeblich eingesetzt. Bundesaußenminister Joschka Fischer bemühte sich nach Angaben diplomatischer Kreise, dem Präsidenten die Vorteile einer Zustimmung zum Plan schmackhaft zu machen: Internationale Garantie für den Verbleib des Kosovo in Restjugoslawien; wirtschaftliche Entlastung Serbiens, weil die Bemühungen zur Kontrolle der UÇK künftig auf eine internationale Truppe übergingen; Aufhebung aller Sanktionen sowie der Restriktionen bei der Mitgliedschaft Restjugoslawiens in internationalen Institutionen; Wirtschaftshilfe und die Aussicht einer Integration Restjugoslawiens nach Europa.

Vergeblich. Milošević blieb völlig unbeeindruckt – auch von US- Unterhändler Richard Holbrooke, obwohl er – ausweislich seines Gesprächsberichtes an das State Department in Washington – Milošević auch Offerten machte, die in der Kontatkgruppe noch nicht Konsens und zum Teil völkerrechtlich höchst fragwürdig sind.

Unter anderem bot Holbrooke Milošević Immunität vor dem Den Haager Tribunal an. „Herr Präsident, der Autonomieplan ist auch für Sie persönlich und für Serbien die bestmögliche Regelung“, erklärte Holbrooke mehrfach. Milošević reagierte stets mit der Gegenfrage: „Wenn dieser Plan so gut ist, warum bedarf es dann der Stationierung einer internationalen Truppe zu seiner Umsetzung?“