Schwarz-Grün ist die Haselnuß

Wie der grüne Umweltminister Jürgen Trittin mit seiner gezielten Provokation Richtung SPD Anhänger wie Gegner in seiner eigenen Partei überraschte  ■ Aus Bonn Severin Weiland

Jürgen Trittin hatte es eilig. An den Kameras vorbei drängte es ihn gestern mittag in die Kantine des Bundestages: „Ich gehe jetzt erst einmal essen.“ Der Mann, der wieder einmal für Aufregung gesorgt hatte, wollte lieber stumm bleiben. Eine Vorabmeldung des Stern hatte am Morgen nicht nur die Medien, sondern auch die grüne Fraktion und die Parteizentrale überrascht. Gegenüber der Illustrierten verkündete der Umweltminister : „Rot-Grün als Reformprojekt ist tot.“ Nach dem Rücktritt von Lafontaine seien SPD und CDU zwei Volksparteien der Mitte, die kaum noch zu unterschieden seien. Deswegen, so der für seine taktischen Finessen bekannte Trittin, spreche „mittelfristig für die CDU als Partner genauso viel und sowenig wie für die SPD“.

Die Parteizentrale der Grünen war ebenso konsterniert wie viele in der Fraktion. Parteisprecherin Antje Radcke, wie Trittin zum linken Flügel gehörend, beraumte kurzerhand eine Pressekonferenz vor dem Parteigebäude an. „Ich rüttele nicht an dieser Koalition“, sagte die Hamburgerin und versuchte zugleich, Trittin nicht in den Rücken zu fallen. Zur Zeit, betonte sie, sei eine Koalition mit der CDU „definitiv nicht möglich“. Auch andere, dem Umweltminister nahestehende Streiter, waren überrascht. Der linke Abgeordnete Christian Ströbele lehnt eine schwarz-grüne Debatte ab. Sie sei „ebenso unsinnig wie eine Diskussion über die Struktur der Grünen“, sagte er zur taz. Die Positionen der CDU seien „völlig inkompatibel“ mit denen der Grünen.

Fraktionssprecher Rezzo Schlauch, Exponent der Realos, versuchte, Trittins Äußerung auf dem Gang in den Bundestages mit einem Scherz abzuwehren: Ostern nahe, da versuche sich mancher in Farbenlehre. Die aber „sollte man besser auf die Ostereier beschränken“. Er halte wenig davon, sich jetzt in „taktischen Machtspielchen zu ergehen“. Wichtiger sei die Diskussion um Inhalte.

Selbst manche, die schon in der Vergangenheit mit Schwarz-Grün geliebäugelt hatten, gingen zu den Überlegungen Trittins auf Distanz. Etwa der Haushaltsexperte Oswald Metzger, der eine Koalition mit der CDU vor zwei Jahren in einem taz-Interviev als ein Zukunftsprojekt nach der Jahrtausendwende genannt und sich damals viel Ärger eingehandelt hatte. Ein solches Szenario jetzt zum Thema zu machen sei „abolut kontraproduktiv“, meinte Metzger. Selbstverständlich müsse die Partei überlegen, wie sie in Zukunft eine „ordnungspolitische Korrektur für die großen Volksparteien“ sein könne. Davor aber müsse die inhaltliche Neubestimmung der Partei stehen.

Wie stets bei derartigen Debatten sitzt das gegenseitige Mißtrauen in der Partei tief. Trittins Bemerkung interpretierte Metzger als „Sperrfeuer“, mit dem die gerade begonnene inhaltliche Debatte der Fraktion möglicherweise „beerdigt werden soll“. Von einem am Vortag diskutierten Finanzpapier, das erhebliche Steuersenkungen für Unternehmen vorsieht, muß die Fraktion in der Tat erst noch überzeugt werden. Fraktionssprecherin Kerstin Müller, die den linken Flügel repräsentiert, hatte das Papier vorsorglich schon einmal tiefer gehängt. Es sei ein „guter Diskussionsbeitrag“ .