Einiges über den jungen Mann. Eine Recherche  ■   Von Wiglaf Droste

Das Auffälligste am jungen Mann ist, daß er ständig auffällt. Das liegt daran, daß er im Weg steht. Aus Prinzip. Weil ers nicht anders kann unds nicht besser weiß. Niemand steht einem so dull und klumsig vor den Füßen herum wie ein junger Mann. Selbst wenn eine drei Meter breite Schneise da ist – der junge Mann schafft es, einem vor den Knochen herumzuölen. In der Fußgängerzone, im Lokal, im Konzertsaal – egal wo. Weil er nicht weiß, wer er ist und wo er hingehört. Er ist nicht Fisch und nicht Fleisch und leidet daran. Das ist entsetzlich – vor allem für die anderen, denen er sich und sein quälendes Ungeschick vor die Füße kippt.

Eigentlich will der junge Mann ja nur zu Mama. Aber das weiß er nicht und darf das nicht einmal denken. Vor allem darf Mama nicht nach Mama aussehen. Frisch soll sie sein, straff und trotzdem erfahren, mit allen Fruchtwassern gewaschen, ohne daß man das sieht. Und geile Sachen soll sie anhaben – die Mischung aus Dessous und Mütterlichkeit ist es, die den jungen Mann schwindelig macht. Er möchte Mama und Hure in einem, endlich Mutti & Nutti statt Hanni & Nanni. Eine Frau, die alles weiß, wovon er allenfalls eine feuchte Vorstellung hat. Und lieb soll sie sein und nicht lachen über seine Dusseligkeit, über seinen Hang, alles falsch zu machen, was man nur falsch machen kann. Fikken wie bei Muttern, heißt sein Traum. Zurückkriechen können. Nicht mehr der bösen Welt ausgesetzt sein, in der man einen auf hart macht. In der man klarkommt bis zum Exitus. Bis man so funktioniert, wie man soll. Und sich gut dabei fühlt. Der echt coole Typ, der ganz brav alles mitmacht. Aber nach Rebell aussieht. Den kann der junge Mann noch nicht, den hat er noch nicht fertig gelernt. Deshalb muß er nachts an die Mama. Die ist so nachgiebig, so freundlich, so gut. Gar nicht wie die Schweinewelt da draußen. In der er unbedingt etwas gelten will, der junge Mann. Aber hallo.

Das gibt er natürlich nicht zu. Gerne schläft der junge Mann mit einer Frau, die rund ist, warm und weich, aber zum Ausführen und Vorzeigen und Renommieren bei den Kumpels und beim Chef möchte der junge Mann dann doch eine schlanke Frau haben. Eine, die ihm nachts im Bett eigentlich nicht pneumatisch genug ist, die aber zur Aufwertung der eigenen Person, zur Verbesserung des Status ordentlich was hermacht. Er kann bereits prima heucheln, der junge Mann. So grün er ist, so hat er schon gelernt, worauf es ankommt. Aber er ist noch kein ausgereifter Drecksack, sondern erst auf dem Weg dahin. Deshalb wirkt er manchmal süß, fast liebenswürdig. Wenn er hart drauf sein möchte zum Beispiel, aber keine Ahnung hat, wie das geht. Das sieht ulkig aus und wärmt manches Herz. Aber das täuscht.

Was soll man nur mit ihm machen? Man kann ihn schließlich nicht gut mit dem nassen Handtuch totschlagen. Auch wenn man das manchmal möchte. Wenn er wieder nervt. Und einem in seiner Daddeligkeit womöglich noch dankbar dafür wäre.

Aber manchmal, sehr selten, entwickelt sich aus einem jungen Mann sogar etwas halbwegs Passables und immerhin Semihumanoides. Das man dann vergleichsweise begrüßen muß, denn man freut sich ja schon über Kleinigkeiten.