Persönliche Tragödie Aung San Suu Kyis

■ Birmas Junta läßt den krebskranken Ehemann der Oppositionsführerin nicht einreisen, um sie selbst zur Ausreise zu zwingen. Denn dann wären die Militärs sie endlich los

Bangkok (taz) – Die birmesische Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, politisch ohnehin stark unter Druck, erlebt nun auch eine persönliche Tragödie: Ihr in England lebender Mann, der Tibetologe Michael Aris, ist schwer an Krebs erkrankt.

Damit steht die 53jährige Regierungskritikerin vor einer schrecklichen Entscheidung: Wenn sie ihren Mann im Krankenhaus besuchte, würde die Junta ihr sicherlich die Rückkehr verweigern. Die demokratische Opposition verlöre damit ihre bekannteste Sprecherin und Integrationsfigur. Aus diesem Grund hat Suu Kyi sich bislang stets geweigert auszureisen.

Michael Aris bemüht sich seinerseits seit drei Jahren vergeblich, zu seiner Frau nach Rangun zu kommen. Die Generäle verweigern ihm beharrlich die Einreisegenehmigung. In den vergangenen Monaten, als sich die Krankheit unaufhaltsam im Körper des Oxforder Wissenschaftlers ausbreitete, setzten sich mehrere asiatische Regierungen und die USA in aller Stille bei der Junta dafür ein, Aris schnell ein Visum zu erteilen.

Die Militärs blieben ungerührt. In solchen Fällen sei es üblich, daß die gesunde Person reise, erklärten sie. Michael Aris jedoch möchte, sobald er wieder kräftig genug ist, in Begleitung einer Krankenschwester nach Rangun fliegen.

Aung San Suu Kyi, Tochter des Unabhängigkeitskämpfers und Nationalhelden Aung San, hatte ihren Mann beim Studium in England kennengelernt. Vor elf Jahren kehrte sie aus familiären Gründen nach Birma zurück, Aris und die beiden Söhne blieben in Oxford. Kurz nach Suu Kyis Ankunft in Rangun begann ein Volksaufstand gegen das Militärregime, der blutig niedergeschlagen wurde.

Suu Kyi fand sich bald an der Spitze einer gewaltfreien demokratischen Oppositionsbewegung wieder und wurde zu deren Symbolfigur. Obwohl die Junta sie 1989 in Hausarrest sperrte, konnte ihre „Nationale Liga für Demokratie“ (NLD) bei den Wahlen im Sommer 1990 über 80 Prozent aller Stimmen gewinnen. Die Militärs erkannten das Ergebnis nie an.

Als Aung San Suu Kyi 1991 den Friedensnobelpreis erhielt, verlas Aris ihre Dankesrede. Aus England unterstützte er sie in den folgenden Jahren, so gut er konnte. Nachdem die Junta den Hausarrest im Sommer 1995 aufhob, durften Aris und die Söhne sie besuchen.

Dem Militärregime dient die Ehe der Politikerin mit einem Ausländer als Vorwand für rüde rassistische Propaganda. Die amtlichen Zeitungen werden nicht müde, sie als „Marionette des Imperialismus“ und ihre Kinder als „Bastarde“ zu beschimpfen. Mehrfach drohten sie, Suu Kyi zu deportieren. Jutta Lietsch