Editorial

■ Legalisierung erst im nächsten Jahrtausend

In dieser Legislaturperiode wird es keine Freigabe von Cannabis geben. Das bekräftigt die grüne Drogenbeauftragte Christa Nickels im taz-Interview (Seite 4). Punktum, Schluß. Sie müsse sich an den Koalitionsvertrag halten, und SPD-Innenminister Otto Schily ist sowieso dagegen. So schnell wird bei den Grünen eine Grundsatzforderung ad acta gelegt. Es mag wichtigere Themen geben, etwas mehr Courage hätte man schon erwarten können.

Denn Konsumenten können immer noch wegen kleinster Mengen viel Ärger bekommen: Laut Drogenbericht ist die Zahl strafrechtlicher Ermittlungen gegen Kiffer in den letzten Jahren auf 150.000 Verfahren angestiegen (Seite 5). Trotzdem nehmen sich auch in Deutschland Millionen ohne Schuld- und Unrechtsbewußtsein das Recht einfach heraus, Drogen zu nehmen. Drogen können gefährlich sein, Spaß machen sie allemal, wie der Autor Günter Amendt herausstellt (Seite 3). Und Cannabis selbst anzubauen, ist so kinderleicht, daß es heute ohnehin jeder zweite tut (Seite 14).

Für zahlreiche HIV-, Krebs- und MS-Patienten besteht immerhin ein Hoffnungsschimmer: „Wir werden alles dafür tun, daß Cannabis bei solchen Krankeitsbildern, bei denen der therapeutische Nutzen erwiesen ist, eingesetzt werden darf“, so Drogenbeauftragte Christa Nickels. In einigen amerikanischen Staaten ist dies bereits der Fall: In den USA votierten letzten November nach Kalifornien und Arizona vier weitere Bundesstaaten für einen legalen Zugang zu medizinischen Zwecken (Seite 13).

Größere Erfolge kann die Nutzhanfbranche vermelden: In der EU wurde im letzten Jahr so viel Hanf angepflanzt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Deutschland macht dabei keine Ausnahme: Dieses Jahr werden voraussichtlich auf mehr als 4.000 Hektar Hanf angebaut (Seite 8). Die Verarbeitungstechniken für eine vielseitigere Fasernutzung sind so weit verbessert worden, daß sich große Firmen für die Pflanze zu interessieren beginnen. Das nova-Institut prognostiziert für die kommenden fünf Jahre eine Verzehnfachung des Bedarfs in der Automobilindustrie. Zahlreiche Kunststoffe können durch Hanf ersetzt werden.

Beim Häuserbau darf Hanf seit vergangenem Jahr als Dämmstoff eingesetzt werden. Im badischen Stutensee wird im Sommer die erste Hanfhaussiedlung errichtet (Seite 12). Durchgesetzt hat sich Hanf auch als kulinarisches Genußmittel: Inzwischen gibt es von Eistee über Nudeln bis Gummibärchen interessante Alternativen mit Hanfgeschmack (Seite 10).

Für die nächste Ausgabe des Hanf Spezial ist eine Outing-Serie geplant: Wir suchen Cannabis- Sympathisanten aus Bereichen des öffentlichen Lebens, die sich dazu bekennen, einem Joint nicht abgeneigt zu sein. Also Prominente und weniger Prominente, meldet euch! Zuschriften an die taz, Stichwort „Hanf Spezial“. ole/VW

Jeder Mißbrauch von Drogen ist gefährlich! Wir wollen niemanden dazu auffordern oder animieren, Drogen zu komsumieren.