Nahverkehrsabgabe war Irrtum

■ Grünensprecher Andreas Schulze korrigierte zu Beginn des Parteitages einen Fehler im Entwurf des Wahlprogramms: Nahverkehrsabgabe ist hinfällig. Debatte über Lage der Partei

Die Nahverkehrsabgabe, die Autofahrer zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr motivieren sollte, ist irrtümlich im Entwurf des grünen Wahlkampfprogramms aufgeführt worden. Landesvorstandssprecher Andreas Schulze korrigierte gestern zum Auftakt des zweitägigen Parteitages von Bündnis 90/Die Grünen den Fehler: „Die Nahverkehrsabgabe, die einmal als Alternative zum Parkraumbewirtschaftungskonzept gedacht war, ist mit dessen Einführung vom Tisch und hätte eigentlich gar nicht mehr auftauchen müssen“, sagte Schulze. Doch wurde sie in dem 76 Seiten starken Entwurf für ein Wahlprogramm schlicht übersehen.

Die Verabschiedung des Wahlprogramms steht im Mittelpunkt der Beratungen, doch zunächst diskutierten die Delegierten am Freitag abend über die Lage der Partei nach der verlorenen Hessen-Wahl und über die Auswirkungen des Rücktritts von Finanzminister Oskar Lafontaine.

Auf Widerspruch stieß hierbei die Äußerung von Umweltminister Jürgen Trittin, der im Stern- Interview erklärt hatte, Rot-Grün sei kein Reformprojekt mehr. Grünensprecher Andreas Schulze entgegnete in seiner Rede: „Unser Wahlziel ist nicht tot. Wer das behauptet, irrt gewaltig.“ Rot-Grün sei etwas „für den Verstand“, warnte allerdings auch Schulze vor überzogenen Erwartungen an einen rot-grünen Senat.

Nach Lafontaines Rücktritt müsse „das ganze Gerede von wegen ,weniger Trittin, mehr Fischer‘ jetzt aufhören“, sagte Schulze. Auch das leise Maulen der Grünen nach „mehr Lafontaine, weniger Schröder“ habe sich erledigt. Es könne jetzt allenfalls noch heißen: „Weniger Bild-Zeitung, mehr Koalitionsvertrag.“

Auch der bündnisgrüne Teil der Bundesregierung habe bislang nicht alle Erwartungen erfüllen können, so Schulzes selbstkritische Einschätzung. Eine Debatte über die Rolle der Grünen in der Bundesregierung sei aber bislang nur unzureichend geführt worden. Daß ausgerechnet jetzt das Prinzip einer Doppelspitze in der Parteiführung in Frage gestellt werde, provoziere Fragezeichen, so Schulze.

In Anbetracht der Abgeordnetenhauswahl am 10. Oktober sagte Schulze: „Die beste Unterstützung aus Bonn ist koordiniertes Regierungshandeln mit vorzeigbaren Ergebnissen.“ Die Berliner Grünen würden sich aber vor allem auf die eigenen Kräfte verlassen. „Den Politikwechsel in Berlin müssen wir selbst bewerkstelligen.“ Dorothee Winden