Kommentar
: Rote Karte

■ Bund erwägt Mehrheitsvotum beim Mahnmalstreit

Wenn Spiele aus dem Ruder zu laufen drohen, weil grobe Fouls den ordentlichen Verlauf gefährden, hilft manchmal nur die rote Karte. Dem Land Berlin blüht nun dieselbe, weil die CDU-Riege im Senat pausenlos gegen das geplante Holocaust-Mahnmal holzt. Denn nun erwägen der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, und der Förderkreis mit Lea Rosh, Berlin als dritten Auslober im Bunde gewissermaßen vom Platz zu stellen und eine Entscheidung ohne die Spielverderber zu erzwingen. Das zeugt nicht von Teamgeist, ist aber wohl unausweichlich.

Beim Streit um das Holocaust- Mahnmal jedoch geht es nicht um Spiele, sondern um eine ernsthafte Sache. Schon darum ist der Platzverweis angebracht. Denn Eberhard Diepgen hat in der Vergangenheit nichts anderes unternommen, als zu spielen: Erst wollte er gar kein Mahnmal, dann setzte er auf Zeit, schließlich entschied er gemeinsam mit den CDU-Senatoren und gegen den Koalitionspartner, den Wettbewerb „auszusetzen“, was einer Blockade des Verfahrens insgesamt gleichkommt – ein unwürdiges Spiel also.

Dem Bund sowie dem Förderkreis ist dergleichen nun zuviel. Die Überlegung, einen Mehrheitsbeschluß auch ohne das Land herbeizuführen, bildet nur das letzte Mittel, Eberhard Diepgen zur Räson zu bringen. Zu Recht. Geht es doch nicht darum, eine Entscheidung für den einen oder anderen Entwurf von Peter Eisenman herbeizuführen, sondern überhaupt einen Abschluß des Verfahrens zu ermöglichen.

So richtig der Vorstoß von Naumann samt Förderkreis ist, so schlecht ist er für die Stadt und ihre Bürger. Denn wo ausgeschlossen wird, können Interessen nicht mehr vertreten werden. Das Land als Mitauslober und Standort für das Holocaust-Mahnmal hat keine Stimme mehr in dem Procedere, der öffentliche Diskurs in Berlin weniger Gewicht.

Der Bund wird über das Mahnmal diskutieren. Seine Entscheidung wird Maßgabe für das Holocaust-Mahnmal bleiben. Und jene in der Stadt, die es wollen oder kritisieren, sind Zaungäste. Nicht nur Diepgen wird quasi vom Platz geschickt, sondern das Land Berlin muß mit ihm in die Kabine. Rolf Lautenschläger

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