Radler helfen Standort sichern

■ Eine professionellere Vermarktung soll die Radfernwege attraktiver machen. Auch die Tourismusverbände wollen sich jetzt der umherschweifenden Reiseradler annehmen

Auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) wurde der erste bundesweite Katalog für Fernradwege vorgestellt. „Deutschland per Rad entdecken“ heißt die 60seitige Broschüre, in der 39 Fernrouten, häufig miteinander vernetzt, aufgeführt werden. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) hat sich für dieses Projekt erstmals mit dem Deutschen Tourismus Verband zusammengetan. Der DTV vertritt in erster Linie die regionalen und örtlichen Fremdenverkehrsvereine. Aufgeweckt durch den ungebrochenen Radtourismusboom, will der DTV in Zukunft für eine größere Akzeptanz von Radreisen in die Pedale treten. Die taz sprach mit Dirk Dunkelberg, dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer.

taz: Ist das Fahrrad das geeignete Vehikel, um Deutschland zu entdecken?

Dirk Dunkelberg: Mit dem Fahrrad läßt sich Urlaub und Reisen optimal verbinden. Durch die Nähe zur Natur und zu den Menschen läßt sich Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Auch die Zahlen überzeugen: Ein Viertel der Deutschen haben sich im vergangenen Urlaub aufs Rad gesetzt. Und knapp drei Millionen haben eine mehrtägige Radreise unternommen.

Radler haben hierzulande bisher im traditionellen Verbands- Tourismus eine untergeordnete Rolle gespielt. Wie kommt es, daß der DTV nun plötzlich die Radtouristen an sein Herz drückt?

Das ist richtig, Fahrradtourismus hat bisher bei uns ein Mauerblümchendasein gefristet. In unserem Fachausschuß Verkehrsfragen wurden vor allem auto- und bahntouristische Schwerpunkte gesetzt. Der Fahrradtourismus ist seit letztem Jahr zu 100 Prozent integriert. Dies geschah auf Anregung unserer Mitglieder vor Ort, die häufig von einem starken und kontinuierlichen Anstieg des Fahrradreisemarkts berichteten.

Trotz der steigenden Zahl der Radtouristen, die übrigens mehr Geld zurücklassen als andere, werden diese immer noch in vielen Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben schräg angesehen. Warum?

Leider stimmt das. Der ADFC macht aber etwas sehr Richtiges, indem er auf die Verkehrsvereine und die Betriebe zugeht und ihnen eine radreisefreundliche Auszeichnung in Aussicht stellt, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Namentlich in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gibt es schon Führer mit radlerfreundlichen Betrieben. Nach unserer Kenntnis soll bald ein bundesweiter Führer installiert werden, was wir sehr begrüßen.

Sie haben das Verzeichnis „Bett & Bike“ angesprochen. Aber warum sollte der ADFC alles alleine machen? Inwieweit nutzt Ihr Verband seine Einflußmöglichkeiten, damit Radtouristen überall willkommen sind?

Ich muß leider den Ball an den ADFC zurückgeben. Zu Beginn des „Bett & Bike“-Projekts hat er uns kaum mit einbezogen. Wir empfehlen dem ADFC, mehr auf uns zuzukommen. Denn es gibt schon viele hervorragende Angebote, aber hier muß noch die Zusammenarbeit der jeweiligen Leistungsträger verbessert werden. Wir werden unsere Mitglieder anregen, sich hier einzubringen.

Immer weniger Deutsche sind bereit, ihren Urlaub im eigenen Land zu verbringen. Laut Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen nehmen die Zahlen seit Jahren ab, 1998 haben nur noch 29 Prozent Ferien zwischen Nordsee und Alpen gemacht. Die Radtouristen sollen diesen Trend stoppen?

Das wäre sehr wünscheswert. Zum Glück haben die Zahlen der Ankünfte und der Übernachtungen leicht zugenommen, die Deutschen machen also mehr Tagesausflüge und übernachten öfters auswärts. Zudem ist Deutschland nach wie vor das beliebteste Urlaubsziel. Trotzdem sehen wir mit Sorge, daß es immer mehr Urlauber nach Südeuropa zieht. Aber wir sehen auch die Chance, daß ein verbesserter Radtourismus diesen Trend umkehren kann. Schließlich bleiben schon jetzt 55 Prozent aller Radreisenden im Lande. Und damit werden die Radler zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor.

Nun liegt „Deutschland per Rad entdecken vor“ und soll mit hoher Auflage Lust auf Radurlaub in deutschen Landen machen. Wer hatte die Idee zu diesem gemeinsamen Projekt?

Der ADFC ist an uns herangetreten und bat um Unterstützung. Er genießt schon seit sechs Jahren Gaststatus im Verkehrsausschuß des DTV. Wir würden uns wünschen, daß er auch Mitglied wird, wie es zum Beispiel die Bahn oder der ADAC sind. Denn normalerweise führen wir solche Projekte nur im Mitgliedskreise durch. Aber da wir den Fahrradtourismus als sehr wichtiges Segment betrachten, haben wir gerne das Kooperationsangebot aufgegriffen und eine Ausnahme gemacht.

Interview: Florian Heckhausen