„Den Zapatismus erfahrbar machen“

■ Der mexikanische Autor und Che-Biograph Paco Ignacio Taibo II über den Wert von Fragen

taz: Ist es nicht sehr riskant für die Zapatisten, sich derart in die Hände der öffentlichen Meinung zu begeben?

Paco Ignacio Taibo II: Das Wichtige an der Consulta ist ja gerade, daß sie den Zapatismus als konkrete Erfahrung für die Menschen im restlichen Mexiko auffrischt – durch den persönlichen Kontakt. Da wird es jede Menge von Mini-Dialogen, von Geschichten und Anekdoten geben. Die sind wertvoll, auch für die Zapatisten, die mit einer realeren Vision vom Rest des Landes in ihre Dörfer zurückkehren werden. Außerdem brodelt es derzeit auch an anderen Punkten in Mexiko-Stadt wieder gewaltig. Da ist der Marsch der Leute aus Guerrero, die gegen den Betrug bei den Landtagswahlen protestieren; die neue Studentenbewegung gegen die Studiengebühren und die unabhängige Elektrizitätsgewerkschaft mit ihrem Widerstand gegen die Privatisierung der Stromwerke. Und dazu die Zapatisten ...

Aber kann die Consulta die Umsetzung der Abkommen von San Andrés durchsetzen?

Es geht zunächst mal darum, wieder auf die Tagesordnung zu bringen, daß der einzige Weg zu einem Frieden in Chiapas über die Anerkennung der Zapatisten und die indigene Autonomie führt. Ich fürchte allerdings, daß es ohne eine neue Regierung keine Lösung geben wird. Diese Bande Gangster, die derzeit regiert, hat ja bewiesen, daß ihr die gesellschaftlichen Mehrheiten egal sind.

Haben die Zapatisten echte Mehrheiten in Mexiko? Die zivile Gesellschaft ist selbst gespalten.

Aber für jeden, der sich mobilisiert, gibt es 4, die beginnen Fragen zu stellen, 16, die bisherige Überzeugungen in Frage stellen, und 32, die überhaupt zu denken anfangen. Das ist etwas ganz Neues in unserer Gesellschaft, wo es immer schon einen Haufen Antworten gab – und gar keine Fragen.

Interview: Anne Huffschmid