Manche mögens heiß

■ Die Niedersächsische Energie Agentur, der Strommulti EWE und die Shell AG möchten in Weener in Ostfriesland ein Biomasseheizkraftwerk bauen / Kritiker warnen jedoch heftig: Was Bio sein soll wird beim Verbrennen zu hochgiftigem Dioxin

Ostfriesen kennen traditionell drei Arten, ihren Müll los zu werden: verbrennen, vergraben, ins Wasser kippen. In Weener an der Ems scheint man sich dieser kulturellen Wurzeln bewußt zu werden. Hier plant die Niedersächsische Energie Agentur (NEA), der Stromkonzern EWE und die Shell AG ein Biomasseheizkraftwerk direkt im Wohnbereich der Stadt. Nur die Stadt Norden, gut 80 Kilometer von Weener entfernt, plant ein ähnliches, kleineres Werk in Niedersachsen. Kritiker haben vor der Bio-Brenn-Masse Angst: Altholz, Treibgut und Produktionsrückstände der örtlichen Papierfabrik enthalten chemische Gifte und Schwermetalle. Beim Verbrennen entsteht Dioxin.

Jährlich fallen um Weener bis zu 35.000 Tonnen Treibgut an, ostfriesisch: Teek. Das wird an die Ufer der Ems und die Küste ihres Mündungstrichters, des Dollard, geschwemmt. Zwar fällt die Entsorgung des Teek nicht direkt in die Kompetenz der Stadt, aber es gibt satte Landeszuschüsse, wenn sie hilft, das Treibgut loszuwerden. Bislang verbrennen die Bauern den Teek (illegal) oder sie lassen ihn zu Dünger verotten (legal). Teek ist sehr salzhaltig, das Verrotten geschieht weitgehend umweltfreundlich. Erst beim Verbrennen des Schwemmholzes verwandelt sich das Salz in Dioxin.

Einer der größten lokalen Arbeitgeber in Weener, die Papierfabrik Klingele, braucht billigen Strom. Damit die Heizöfen des zukünftigen Kraftwerkes rentabel kokeln, muß auch Teek verfeuert werden. Klingele-Geschäftsführer Reinhard Haffke: „Ich weiß im Moment überhaupt nicht, was da genau mit dem Kraftwerk geplant ist.“ Das verwundert, denn das Kraftwerk soll aus Kostengründen direkt auf dem Grundstück der Papierfirma stehen. „Wir haben ein Image zu verlieren.“ Haffke scheint einiges zu befürchten.

Klingele hat sich nämlich gerade wegen seiner umweltfreundlichen Produktion einen Namen gemacht. Beim Herstellen von Papier und dem Aussortieren von Altpapier bleibt ein Rest, sogenannte Spukstoffe. Was da alles an Schwermetallen und Chemikalien drin ist, weiß niemand. Zuerst wollte die NEA diese Spukstoffe im Kraftwerk verbrennen. „Wir haben uns dem Markt angepaßt und verzichten auf Verbrennen“, umschreibt Stefan Kohler jetzt die Tatsache, daß Spukstoffe gar nicht in einem Biomasseheizkraftwerk verbrannt werden dürfen. Die entsprechende Verordnung sagt: Spukstoffe sind keine Biomasse. Für die Verbrennung gibt es keine Subventionen. Die will Kohler aber haben. „Wir bieten jetzt ein Entsorgungspaket an“, sagt er. Er will Rückstände deponieren. „Das“, so weiß der Bürgermeister von Weener, Peter Freesemann , „werden die Reste jetzt schon. Sie lagern auf dem Firmengelände.“ Warum Freesemann trotzdem für das Heizkraftwerk ist, kann er gar nicht so ganz genau sagen: „Da hängen über 100 Arbeitsplätze dran und der Müll muß doch weg.“

Ein echtes Überraschungsei ist für Lutz Drewniock, grüner Stadrat in Weener, das Altholz. Immerhin 85.000 Tonnen könnte das Kraftwerk jährlich schlucken. Zur Zeit verfrachtet die Leeraner Recyclingfirma Heeren ganze Bahnwaggons mit Altholz nach Schweden oder Italien. Drewniock: „Schon der erste Transport nach Schweden war ein Skandal, die Hölzer waren mit Schwermetallen belastet.“ Würde in Weener tatsächlich ganzjährig ein Kraftwerk betrieben, so befürchten Umweltschützer, kämen die Müllzüge nach Leer: „Keiner weiß was alles in den Holzschnipseln an Gift enthalten ist“, befürchtet Drewniock. Kritik der Grünen kanzelt Kraftwerksplaner Kohler ab: „In Hannover sind die Grünen für das Bioheizkraftwerk. Die Partei in Weener redet Unsinn.“

„Biomasse“, so der Weeneraner Bauamtsleiter Manfred Giese, „das sagt ja schon, daß da alles biologisch und unschädlich ist.“ Eine gesundheitliche Beeinträchtigung für Anwohner und Gäste sieht er nicht. „Wir vertrauen da ganz dem Gewerbeaufsichtsamt. Wir wollen den gläsernen Kamin“, mutig ist Giese, denn was genau vor seiner Amtstür geplant ist, weiß er nicht. Noch sind keine Bauanträge für das Kraftwerk gestellt. Ende März muß sich Klingele entscheiden, ob es den Verbrennungsstrom will. Immerhin, die strengen, ökologischen Richtlinien für das Erstellen und Abfackeln von Osterfeuern sind im Rathaus Weener jetzt schon abholbar. Thomas Schumacher