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: Nur noch zweihundert Winter

„Mythos Hollywood“, Sa., Bayern 3, 22.15 Uhr

Die USA sind Hollywood, Hollywood ist die USA. So einfach ist das, alles nur ein Fake im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – allerdings mit begrenzter Überlebensdauer. In Eckhart Schmidts im Vorfeld der letztjährigen Oscar-Verleihung gedrehtem Dokumentation über den „Mythos Hollywood“ hat im Epilog quasi der letzte Mohikaner von Beverly Hills das Wort. Mit seinen langen, mittlerweile weißen Haaren sitzt dieser Indianer und somit nachgewiesenermaßen Ureinwohner Amerikas unter dem strahlend blauen Himmel der größten westlichen Filmindustrie in Jeans und Jeanshemd, lächelt ein wenig und antwortet mit stoischer Gelassenheit auf die Frage nach eben diesem Mythos: „Die USA haben jetzt 200 Winter hinter sich, noch einmal 200 Winter werden sie nicht erleben.“ Zuvor hat Schmidt in knapp eineinhalb Stunden ungefähr zwei Dutzend Menschen und hunderte postkartenleporelloartige Bilder aus Los Angeles' Wurmfortsatz, der kleinere Blinddarmreizungen bisher locker überstanden hat, vor seine Linse gelockt und sprechen lassen. Ohne Kommentar. Und so geben sich Präsidenten, Produzenten, PR-Agenten, Autoren, Regisseure, Filmhistoriker, Medienhistoriker und auch ein paar weniger bekannte Schauspieler gegenseitig die Stichworte, um der Reihe nach den Mythos vom schönen Schein auf Zelluloid selbst zu dekonstruieren.

Und dabei geht es ziemlich buchhalterisch zu. Auf einer Sightseeingtour hakt der Fahrer und Entertainer die Villen der Sinatras, Taylors, Streisands und Weissmüllers ab, als ziehe er laut vor sich hin plappernd die Bilanz aus seinem letzten Supermarktbon. Nicht anders rechnen die Produzenten und Regisseure in ihren Büros ab: 5.500 Dollar Wochengage gab's für Clark Gable in Hollywoods Anfangszeiten, wer heute hingegen auf dem „Walk of Fame“, wie der Sternchen- Boulevard der Filmstadt genannt wird, mit Füßen getreten werden möchte, muß schon wie Leonardo DiCaprio 20 Millionen abkassieren.

„Wir leben, atmen und essen Hollywood“, ist ein vielzitierter Satz Schmidts aus der Produzentenbranche. Was er davon hält, zeigt er in einem sich stetig füllenden und schließlich überquellenden Mülleimer auf dem Hollywood-Boulevard. Na ja, das hat man im Prinzip auch vorher geahnt. Gut zu wissen, daß es in spätestens 200 Wintern vorbei ist. Petra Welzel