Robben töten lohnt sich wieder

Diese Woche ziehen die Norweger los zur Hatz auf Seehunde – 15.000 dürfen in diesem Jahr getötet werden. Staat subventioniert die Jagd auf die Pelzbabies  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Norwegische Robbenjäger töten Robbenbabies, die noch von ihren Müttern gesäugt werden. Diesen Vorwurf hat einer der vier staatlichen Fanginspekteure, der die Robbenjäger auf ihrer letztjährigen Jagd begleitet hatte, in seinem vertraulichen Bericht an die Regierung in Oslo erhoben. Laut einer Meldung des norwegischen Rundfunks NRK hat dieser Inspektor gleichzeitig auf eine Gesetzeslücke aufmerksam gemacht, welche diese allen Zusagen Oslos an Tier- und UmweltschützerInnen widersprechende Praxis ermöglicht.

Trotzdem seien die Bestimmungen auch für dieses Jahr nicht geändert worden, sodaß ein Abschlachten von säugenden Babies wieder möglich sei. Die „Jagd“ hat offiziell vor einer Woche begonnen, an diesem Wochenende sind die meisten Fangboote ausgelaufen.

Die Gesetzeslücke: Ab 20. März jeden Jahres ist die Jagd auf grundsätzlich alle neugeborenen Robben innerhalb der jährlich genehmigten Quote von Oslo erlaubt worden. Bei dieser zeitlichen Bestimmung war man davon ausgegangen, daß es nach dem 20. März keine säugenden Robbenbabies mehr geben würde: alle hätten zu diesem Zeitpunkt ihre Mütter schon mehrere Wochen verlassen. Eine gesetzliche Vorgabe, an die sich die Robben aber nach Beobachtung des staatlichen Inspekteurs tatsächlich nicht halten.

Diese Babies gezielt herauszusuchen und zu töten ist für die Robbenjäger sogar ein lohnendes Geschäft. Je jünger die getöteten Robben sind, desto begehrter ist deren Fell auf dem Markt. Mehr noch: Der Staat prämiert das Töten der Jüngsten ausdrücklich. Die höchsten Beihilfen aus dem öffentlichen Subventionstopf – der den ansonsten wirtschaftlich nicht lohnenden Fang mit über 4 Millionen Mark subventioniert – erhalten die Boote, die die auf dem Markt begehrtesten jungen Felle nach Hause bringen.

Als „paradox“ bezeichnet die Osloer Tageszeitung Dagbladet die Folgen dieser Regelung: „Nach langen Jahren des grundsätzlichen Verbots der Jagd auf Robbenbabies können die Robbenfänger sich nun aussuchen, nur ausschließlich die Jungen zu töten und die erwachsenen Tiere leben zu lassen. Das Fell der Jungen ist nämlich gefragt, das der erwachsenen Robben stapelt sich seit Jahren unverkäuflich in den Lagern.“

Norwegen verteidigt seine umstrittene Robbenjagd in erster Linie mit der Notwendigkeit, die Bestände regulieren zu müssen: Jede Robbe würde tonnenweise Fisch konsumieren, der damit gleichzeitig der Fischwirtschaft vor der Nase weggefressen werde und die Bestände verschiedener Arten ernsthaft gefährde. Die angeblich so selbstlose Jagd, die nur dem biologischen Gleichgewicht zu dienen und andere Fischbestände vor dem Auffressen zu retten vorgibt, erscheint in einem ganz anderen Licht, wenn nunmehr erstmals eindeutig auf die Verwertbarkeit der Pelze abgestellt wird.

Odd F. Lindberg, der ehemalige staatliche Robbenfanginspekteur, der wegen seiner Kritik an der Robbenjagd vor einigen Jahren gezwungen war, seine Heimat zu verlassen, sieht mit den jüngsten Enthüllungen auch nachträglich wesentliche Teile seiner Kritik bestätigt: Norwegen gehe es in erster Linie nur um eine Vermarktung der Felle. Was auch daran ersichtlich werde, daß von den 15.000 Robben, die in diesem Jahr zum Fang freigegeben worden seien, nur das Fell und einige Kilo Fleisch verwendet, der Rest der Tiere aber ins Meer zurückgeworfen werde.

Erst kürzlich hatten zwei mittlerweile pensionierte Robbenjäger in Norwegen für erhebliches Aufsehen gesorgt, als sie zugestanden, daß es tatsächlich in den sechziger Jahren noch allgemein üblich gewesen sei, Robben bei lebendigem Leib zu enthäuten. Etwas, was Lindberg noch 1988 beobachtet haben will. Daß es wohl Zeit für eine ausführlichere Diskussion der Robbenjagd sei, gestand daraufhin sogar ein führender Vertreter von deren Interessenverband ein.