„Nicht neutralisieren“

■ Gewalt in Paarbeziehungen: Konflikte regeln durch Täter-Opfer-Ausgleich

Der Gang vors Gericht ist bei Gewalt in der Familie oft vergeblich. Strafe kann Rachegelüste beim Täter schüren, und wird dieser zu einer hohen Geldzahlung verdonnert, haben die gepeinigten Familienmitglieder oftmals noch das Nachsehen bei ihren Unterhaltsansprüchen. Eine wirkungsvollere Alternative biete der sogenannte Täter-Opfer-Ausgleich (TOA), sagte gestern Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL), als sie eine von ihrem Senatsamt in Auftrag gegebene Studie zum Thema „Konfliktregelung bei Gewalt in Paarbeziehungen“ präsentierte.

Rund 40.000 Frauen bundesweit mit ebensovielen Kindern suchen danach jährlich die über 320 Frauenhäuser auf. 40 Prozent aller Gewalttaten geschehen in der Familie oder im Freundeskreis. Nur ein Bruchteil davon wird der Polizei überhaupt jemals bekannt – nicht zuletzt, weil die Frauen sich von einer Anzeige und Strafverfolgung ohnehin keine Lösung des Gewaltproblems versprechen, so Sager.

Der TOA entspreche den Erwartungen der Opfer. Täter und Opfer werden durch sogenannte Konfliktregler an einen Tisch gebracht. Der Täter werde mit dem Leid des Opfers konfrontiert, so der Verfasser der Studie, der Marburger Professor Dieter Rössner. Dadurch könne er seine Tat „nicht neutralisieren“, sondern sei gezwungen, die Verantwortung dafür zu übernehmen.

Sager betonte jedoch, daß es auch ein Ziel des Konfliktgespräches sei, eine konkrete Vereinbarung zu treffen. Etwa, daß der Täter die gemeinsame Wohnung verläßt oder sich in Therapie begibt. Ebenso kann ein materieller Ausgleich für das Opfer vereinbart werden.

Voraussetzung ist, daß der Täter geständig ist. Denn der TOA kann nur freiwillig erfolgen. Einigen sich die Tatbeteiligten auf eine „Wiedergutmachung“, wird das von der Justiz berücksichtigt und die Ermittlung eingestellt.

Seit 1994 gibt es den TOA. Sager forderte gestern, das Instrument gerade bei Gewalt in der Familie verstärkt einzusetzen. ee