Nein zum Trübsein

■ In der Galerie Rabus zelebrierten der Geiger David Albermann und die Flötistin Carin Levine einen perfekten Abend mit Neuer Musik

Es war mehr als eine helle Freude zu erleben, wie aus dem vor einigen Jahren aus dem weltberühmten Londoner Arditti-Quartett ausgeschiedenen zweiten Geiger David Albermann inzwischen ein Solist der Extraklasse geworden ist. Dies war beim Konzert in der Galerie Katrin Rabus mit einem exzellenten Programm und einer gleichwertigen Partnerin, der Flötistin Carin Levine, zu erleben. „Ich wußte gar nicht, daß Neue Musik so schön sein kann“, war in der Pause mehrfach zu hören. Auch von Leuten, die durchaus häufig Konzerte mit zeitgenössischer Musik besuchen. Ein solcher Eindruck – denn die Musik war keineswegs einfach, eher das Gegenteil – kann entstehen, wenn, wie an diesem Abend in der gut besuchten Galerie, alles stimmt: die Qualität der Stücke, die Zusammenstellung und die Interpretationen. Es zeigt im Vergleich zu vielen anderen Konzerten auch noch einmal deutlich, wie wichtig diese „Dreifaltigkeit“ ist.

David Albermann zeigte seine Kunst am eindrucksvollsten an „Xynobis“ von Giacinto Scelsi, jenem so ganz anderen Komponisten, der von seiner Musik sagte, sie sei „die Verneinung dessen, was den Menschen trübe macht“. Scelsi hat so viele Informationen für den Geiger unterzubringen, daß er für jede Saite ein eigenes Liniensystem schreibt – wie übrigens auch im vierten Streichquartett. Als glasklare Gestalten ein winziges, achteltöniges Vibrato, ein Umwanderung der Töne als fast dramatisches Ereignis: Das kann man nicht besser machen. Salvatore Sciarrino, der Farbkünstler unter den italienischen Komponisten, schreibt mit seinen Cappricien regelrecht witzige Karikaturen dieser Virtuosengattung aus dem 19. Jahrhundert.

Auch Carin Levine hatte an diesem Abend eine Sternstunde. Von meditativer Eindringlichkeit „Rast in einem alten Kloster“ von Younghi Pagh-Paan, das die Komponistin zum Tod von John Cage geschrieben hat. Ein pianissimo-Hauch das Ganze, mit Atemdifferenzierungen und Phrasierungen, die jeglicher Äußerlichkeit entbehren, die ganz nach innen gehen und den Hörer nur bei äußerster Konzentration erreichen. Klaus Hubers programmatische „Plainte“, ebenfalls (auf den Tod von Luigi Nono) ein Trauerstück: Ruf- und Klageseufzer in einem, ohne Anfang, ohne Ende. Die Fassung – im Original für Viola d'amore solo – für Altflöte war hier die deutsche Erstaufführung.

Ihr wahrlich meisterhaftes Können austoben konnte Carin Levine an einer weiteren deutschen Erstaufführung, dem ihr gewidmeten „Morbilde aure dell'aria“ von Fabrizio Casti, einem aberwitzig virtuosen, mehrstimmigen Gebilde, das ohne Ende auf einem Instrument die Gleichzeitigkeit verschiedener musikalischer Ereignisse verlangt.

Schön auch die Duo-Stücke: das farbenreiche „Due Voci“ von Stefano Gervasoni, die eleganten, fast klassizistischen Wechselspielchen in „Ciglio II“ von Franco Donatoni. Das Stück zeigt eine heftige ironische Distanz zum kompositorischen Tun, das Carin Levine und David Albermann perfekt nachvollzogen. Als schöner Abschluß ein fast melodiöses, virtuos-musikantisches Stück von Arthur Lourié aus dem Jahr 1935: „La Flute à Travers Le Violon“. Begeisterter Beifall. Ute Schalz-Laurenze