Weniger Morde - mehr Betrug

■ Kriminalitätsstatistik 98: Anstieg von antisemitischen Straftaten um 10 Prozent, Rückgang von rechtsextremistischen Straftaten um 12 Prozent. Höchste Aufklärungsrate seit 30 Jahren

Weniger Mord und Totschlag, weniger Straßen- und Handtaschenraub, weniger Laubeneinbrüche, weniger Auto- und Taschendiebstähle – das sind die guten Nachrichten der gestern vorgestellten Kriminalitätsstatistik für 1998. Die schlechte Nachricht: Die Organisierte Kriminalität befindet sich weiter „auf sehr hohem Stand“, Vermögensdelikte, Wirtschafts-, Rauschgift- und Umweltkriminalität, Körperverletzung und Gastätten- und Geschäftsüberfälle haben im Vergleich zu 1997 zugenommen. Der größte Anstieg wurde mit einem Zuwachs von 61,6 Prozent bei Leistungserschleichung und von 57,2 Prozent bei Sozialleistungsbetrug verzeichnet, was aber vor allem auf verstärkte Kontrollen in diesen Bereichen zurückzuführen ist. Überfälle auf Geschäfte und Lokale haben um fast 30 Prozent zugenommen.

Trotzdem äußerte sich Innensenator Eckart Werthebach (CDU), der die Statistik zusammen mit Polizeipräsident Hagen Saberschinsky vorstellte, mit Genugtuung: „Es gibt für 1998 viele Hinweise, daß die Berliner Polizei sich den Herausforderungen mit guten Ergebnissen gestellt hat“, sagte Werthebach. Er verwies auf einen Anstieg der Aufklärungsquote um 1,6 Prozent auf 49,4 Prozent – der höchste Stand seit 30 Jahren – und einen Rückgang der bekanntgewordenen Straftaten um 1 Prozent auf 586.528. Im Städtevergleich rangiert Berlin hinter Frankfurt am Main auf Platz 2. Von den insgesamt 174.978 Tatverdächtigen, die 1998 ermittelt wurden, betrug der Anteil nichtdeutscher Täter 32,6 Prozent. Unter Weglassung von Delikten etwa gegen das Asylgesetz, die nur von ihnen begangen werden können, verringert sich ihr Anteil auf 28,2 Prozent.

Werthebachs besondere Aufmerksamkeit galt gestern mit Hinweis auf die Besetzung des griechischen und des israelischen Generalkonsulats durch Kurden den politisch motivierten Straftaten. Der Innensenator merkte an, daß Berlin durch „das hier ansässige Gewaltpotential wesentlich mehr Angriffspunkte“ biete als andere Städte und deshalb eine „weitreichendere Aufmerksamkeit als in anderen Teilen der Bundesrepublik“ erfordere.

Im Bereich des Rechtsextremismus gab es im vergangenen Jahr einen Rückgang um 12,3 Prozent, während antisemitische Straftaten um 10,4 Prozent anstiegen. Trotz eines Rückgangs linksextremistischer Straftaten um 30,8 Prozent liegt Berlin bundesweit in diesem Bereich mit 794 Straftaten an der Spitze. Werthebach wies außerdem darauf hin, daß erstmals seit der Wiedervereinigung ein Rückgang (um 5,4 Prozent) bei der Kinderkriminalität festzustellen ist. Als „unerfreulich“ bezeichnete der Innensenator den Anstieg der Drogentoten von 150 im Jahre 1997 auf 160 im vergangenen Jahr, und er sprach sich erneut gegen staatlich kontrollierte Heroinabgabe und Fixerstuben aus.

Vor voreiliger Euphorie angesichts der Statistik warnten gestern SPD, Grüne, die Gewerkschaft der Polizei und der Bund Deutscher Kriminalbeamter. Barbara Bollwahn de Paez Casanova