Eine große Party für einen kleinen Sieg

■ Steffen Freund wird mit Tottenham Hotspur Liga-Pokal-Sieger, obwohl er noch kein Englisch, aber dafür das Lächeln gelernt hat

London (taz) – Mit der Kleiderordnung nahm es Steffen Freund bei der Siegerehrung nicht so genau. Er erschien im Unterhemd. Auf dem Weg von der Ehrentribüne des Londoner Wembley-Stadions wieder hinunter auf das Fußballfeld vervollständigte der ehemalige deutsche Nationalspieler sein Partykostüm: Die Werbefahne einer Bierbrauerei band er sich als Schal um den Hals.

„Das ist das Leben“, sagte Freund (28), als er – nun adrett im dunkeln Vereinsblazer seines Arbeitgebers Tottenham Hotspur – zum Bus ging. Im großen Stil feierte Tottenham einen kleinen Erfolg. Den Liga-Pokal gewann der Nordlondoner Verein durch ein 1:0 gegen Leicester City. Der Wettbewerb, nach nationaler Meisterschaft und FA-Cup die dritte Spielrunde für englische Teams, garantiert dem Gewinner zwar einen Uefa-Cup-Platz, hat aber wegen des ausgedehnten Europapokals an Wert verloren.

Die besten britischen Teams, Manchester United und Arsenal London, schicken nur noch ihre Reserveteams in den League Cup. Für Tottenham, das sich selbst immer noch zu den Großen zählt, dagegen ist der Silberpott die erste nennenswerte Trophäe seit acht Jahren. 78.000 Zuschauer in Wembley machten genug Lärm, um die Illusion aufrechtzuhalten, es handele sich um ein bewegendes Ereignis. Auch die Dramatik des Spiels paßte. Das Tor, erzielt vom Dänen Allan Nielsen, fiel in der letzten Spielminute.

„Zehn Wochen bin ich nun hier, und schon den ersten Titel gewonnen, dann kann ich jetzt ja wieder nach Hause fahren“, sagte Freund im Scherz. „Hals über Kopf“ verließ er zum Jahreswechsel für zwei Millionen Mark Ablöse Borussia Dortmund. Im Sommer wäre sein Vertrag ausgelaufen, einen ähnlich gut dotierten (angeblich drei Millionen Mark Jahresgehalt) hätte er zu Hause nicht bekommen.

Von den 16 Spielen seit Freunds Ankunft hat Tottenham ein einziges verloren – und neunmal Unentschieden gespielt, fünfmal 0:0. Der Trainer, George Graham, ist „überhaupt nicht an Angreifern interessiert“, sagt Verteidiger Ramon Vega. Graham hat die Defensive zur Kunst erhoben und machte aus einem Abstiegskandidaten ein Mittelklasseteam.

Ein Destruktiver wie Freund darf hier eine zentrale Figur sein. Zuverlässig und unspektakulär wacht er vor der Abwehr. „Ich dachte ja immer, ich sei defensiv perfekt“, sagt Freund, „aber dann hat mir Graham zwei, drei Sachen erklärt, da konnte ich nur staunen.“ Nach dem Erfolg umarmte der Trainer Freund theatralischer als alle anderen. Eine besondere Wertschätzung? Vielleicht auch Zeichensprache. „Englisch kann ich noch nicht“, sagt Freund. „Das hier ist my English“: Er führt ein Lachen vor. „Immer lächeln“, sagt er. Ronald Reng