Genitalverstümmelung in Deutschland

■ In Berlin sollen Mädchen illegal beschnitten werden. Heimlich aufgenommenes Video belastet einen Gynäkologen. Auch in Essen ermittelt die Staatsanwaltschaft

(dpa/taz) – Ein Berliner Arzt afrikanischer Herkunft soll nach Informationen des ARD-Nachrichtenmagazins „Report“ aus Mainz Beschneidungen an jungen Mädchen vornehmen. Das Magazin zeigte gestern abend ein Video, das offensichtlich mit versteckter Kamera aufgenommen wurde. Darin erklärt sich derArzt ohne Zögern bereit, ein kleines Mädchen „fachmännisch“ unter Narkose zu beschneiden. Detailliert beschreibt er das Vorgehen bei der Verstümmelung der weiblichen Genitalien. Für den illegalen Eingriff habe der Gynäkologe 1.200 Mark verlangt, berichtet „Report“. Gegen den Arzt ermittle die Berliner Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzung.

Es ist einer der ersten Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird. Hinweisen auf illegale Beschneidungen geht auch die Staatsanwaltschaft in Essen nach. Dort war die Kriminalpolizei auf einen Verdacht aufmerksam gemacht worden und hatte die Ermittlungen angeregt.

Daß die Ermittlungsbehörden sich einschalten, ist keine Selbstverständlichkeit: „Report“ berichtet von einem ähnlichen Fall in Karlsruhe. Dort soll sich die Polizei geweigert haben, den Hinweisen des Jugendamtes auf einen bevorstehenden Fall von Beschneidungen bei Mädchen nachzugehen. Ihre Begründung: Es handele sich um einen religiösen Brauch, der vom Verfassungsgrundsatz der Religionsfreiheit geschützt sei.

Offensichtlich wußten die Polizisten nicht, daß es sich bei Beschneidung um Fälle von einfacher bis hin zu schwerer Körperverletzung handelt. Justizministerin Däubler-Gmelin stellte gestern klar, daß Beschneidung selbstverständlich strafbar ist.

Die Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ schätzt, daß in Deutschland rund 20.000 beschnittene Frauen leben. Sie stammen vor allem aus dem nördlichen und mittleren Afrika und sind meist schon in ihrem Herkunftsland beschnitten worden.

Der breiteren Öffentlichkeit wurde der grausame Initiationsritus bekannt, nachdem beschnittene Frauen selbst ihr Schweigen brachen und von der Verstümmelung und ihren Folgen berichteten. Schwere Entzündungen, manchmal mit tödlichem Ende, sind nur eine der Komplikationen, die auftreten können. Die Frauen leiden oft lebenslang an den Beschwerden, Geschlechtsverkehr ist für sie mit Schmerz verbunden. In Frankreich wurden vor einigen Wochen Mütter und eine traditionelle Beschneiderin in einem spektakulären Prozeß zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Deutsche Menschenrechtsorganisationen sammeln seit Jahren Hinweise, die aber bis jetzt nicht zu einem konkreten Verdacht führten. „Wir machen das Jugendamt auf diese Fälle aufmerksam, das dann recherchiert. Parallel dazu muß die Kripo ermitteln“, sagt Christa Stolle von „Terre des femmes“. Die Jugendämter würde aber ebenso wie die Menschenrechtsorganisation äußerst behutsam mit Hinweisen vorgehen, um keine falschen Verdächtigungen auszusprechen. „Man muß auch beachten, aus welchem Umfeld die Hinweise kommen.“ Es könne passieren, daß auch rassistische Beweggründe zu solch einem Hinweis führten, meint Stolle. oes