„Wir sind auf alles vorbereitet“

Deutsche Soldaten rüsten sich in Makedonien für mögliche Angriffe der Nato auf militärische Ziele in Serbien. Bislang denken alle nur an einen Auftrag zur Durchsetzung eines Friedensabkommens von Rambouillet  ■   Aus Tetova Erich Rathfelder

Die Uhr tickt. Trotz möglicher Bombenangriffe der Nato auf serbische Stellungen im Kosovo oder in Serbien stehen die wachhabenden Soldaten am Eingang der Kaserne von Tetova lässig herum. Von Nervosität ist nichts zu spüren. Die Fahrer der Lastwagen mit Versorgungsgütern, die auf das Gelände rollen, müssen hier nur ihre Papiere vorweisen. Sogar Journalisten werden von den Soldaten der deutschen Bundeswehr freundlich begrüßt.

Wer noch manche verklemmte Reaktionen aus den ersten Auslandseinsätzen kennt, weiß, welcher Bewußtseinswandel bei der Bundeswehr stattgefunden haben muß. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Informationen, die Presse ist nicht unser Feind“, erklärt Oberleutnant Helmut Wetzel, der Presseverantwortliche, das Verhalten der Truppe. Wurden bei den Einsätzen in Kroatien und Bosnien oftmals übertrieben erscheinende Sicherheitsmaßnahmen angewandt, werden Journalisten hier ganz normal geduldet und können offen mit den Soldaten sprechen.

Und das, obwohl gerade dieser Einsatz keineswegs ohne Risiko ist. Denn schon in den nächsten Stunden könnten die Nato-Bombenangriffe auf die Bundesrepublik Jugoslawien beginnen. Und damit eine Entwicklung einleiten, über deren Ausgang heute noch niemand Endgültiges zu sagen weiß. Vielleicht wird die Lockerheit gerade deshalb so stark betont.

Selbst das weitläufige Gelände des Truppenübungsplatzes Erebino steht Jounalisten offen, nur Kameras dürfen nicht mitgenommen werden. Das aufgehäufte Kriegsmaterial bietet einen imposanten Anblick. Die zehn Leopard-2A-Panzer, die hier zwischen den Bunkeranlagen geparkt sind, bilden das Herzstück einer Ausrüstung, die Marder-Schützenpanzer, Luchs-Spähpanzer, Transportpanzer Fuchs sowie unzählige Transportfahrzeuge umfassen.

Der von allen Offizieren mit Selbstbewußtsein vorgetragene Satz, „Wir sind auf alles vorbereitet“, scheint sich hier zu vergegenständlichen. Die meisten Menschen in Tetova verhalten sich ausgesprochen freundlich den Nato-Truppen gegenüber, manche aber zeigen sich auch reserviert. Die albanische Bevölkerungsmehrheit ist froh, daß die Nato-Truppen in der Stadt Deutsche sind. Angesichts der ethnischen Spannungen fühlen sich die Albaner durch die „deutschen Freunde beschützt“, obwohl die Bundeswehr nicht zu erkennen gibt, daß sie eine Bevölkerungsgruppe bevorzugt.

Die historische Dimension ist wie überall auf dem Balkan allgegenwärtig. Während des Zweiten Weltkrieges beherbergte Tetova schon einmal ein regionales Kommando der deutschen Truppen. Selbst die Versorgungswege waren die gleichen: Über den griechischen Hafen Thessaloniki wurden heute wie damals die Nachschubgüter in die Stadt gebracht. Die Albaner erinnern sich, daß der damals von Deutschland und Italien geschaffene albanische Staat bis hierhin reichte, daß es Schulen in albanischer Sprache gab.

Demgegenüber betrachten viele slawische Makedonier, für die „Serben Brüder sind“, die Deutschen kritisch. Im Sprachgebrauch des Miloevic-Regimes werden Deutsche als „Feinde“ eingestuft. Die historische Antipathie wird gerade in „gespannten“ Zeiten für die Mobilisierung der eigenen Bevölkerung genutzt. Diese historisch-politische Konstellation aber macht den Standort Tetova brisant, denn er liegt nahe an der Grenze zum Kosovo, wo serbische Truppen mit Artillerie und Kurzstrekkenraketen aufmarschiert sind.

Für die einheimische Bevölkerung aller Volksgruppen ist dieser historische Zusammenhang einleuchtend, während für die meisten deutschen Soldaten dieses Denken völlig fremd erscheint. „Wir sind hier, um einem Friedensauftrag der Nato nachzukommen“, ist eine der typischen Antworten deutscher Soldaten. Sich als gleichberechtigter Partner des westlichen Bündnisses zu beweisen, ist der Wunsch der Truppe.

Die heutige Nachkriegsgeneration in Deutschland verspürt offenbar keinen Wunsch, auf die alten historischen Linien festgelegt zu sein. Auch Brigade-General Helmut Hauff betont noch einmal, daß der Auftrag der Truppen der Bundeswehr in Makedonien weiterhin der alte ist. Die Nato-Truppen in Makedonien werden nicht als kämpfende Truppe in das Geschehen eingreifen, sie seien eine Friedenstruppe, die im Kosovo die Umsetzung eines Abkommens überwachen soll. Es seien jedoch Nato-Luftangriffe möglich.

„Nach der Unterschrift unter das Abkommen werden wir wie vorgesehen als Friedenstruppen in den Kosovo einrücken“, erklärt der General. Er glaubt, daß die Bereitschaft der Serben zur Unterschrift mit Luftangriffen erzwungen werden kann. Schon werden Sandsäkke um das Wachhäuschen aufgeschichtet. Luftabwehrrakten sind noch nicht installiert. Die Uhr für den Nato-Luftangriff tickt trotzdem.