Hasch in die Arztpraxis

Aids-Hilfe und Schmerztherapeuten fordern die Freigabe von Cannabis als Medikament. Gestern übergaben sie der Drogenbeauftragten Nickels eine Unterschriftenliste  ■ Von Thorsten Denkler

Bonn (taz) – Die Medizin, die sie am dringendsten benötigt, verschreibt ihr kein Arzt. Trixie Frings hat Multiple Sklerose. Ihre Krankheit hat sie an den Rollstuhl gefesselt. Sie hat spastische Lähmungen, zittert am ganzen Körper. Seit kurzem raucht Trixie Frings Marihuana. „Wenn ich kiffe“, sagt sie, „geht meine Spastik zurück.“

Ihre anderen Medikamente hat sie inzwischen abgesetzt. Die hätten Nebenwirkungen, Cannabis nicht.

Trixie Frings handelt illegal. Der Konsum von Cannabis-Produkten ist auch zu therapeutischen Zwecken verboten.

Gestern forderten in Bonn Vertreter der Deutschen Aids-Hilfe, des schmerztherapeuthische Kolloquiums und der Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin“ die Freigabe von Cannabis für medizinische Zwecke. Der Mediziner Franjo Grotenhermen von der AG „Cannabis als Medizin“ ist überzeugt, daß Cannabis eine umfassende heilende Wirkung habe. Bei vielen Krankheiten sei Cannabis die einzig wirksame Medikation. 20 Prozent aller Epileptiker könnten ihre Anfallhäufigkeit drastisch verringern, wenn sie den in der Hanfpflanze vorkommenden Wirkstoff THC verabreicht bekämen.

Die Bundesärztekammer will von Haschisch in der Medizin nichts wissen. Vorstandsmitglied Ingo Flenker sieht dafür keine Notwendigkeit. Es gebe bereits ein medizinisches Cannabismittel unter dem Namen Marinol. Da müsse man nicht auf Naturstoffe zurückgreifen.

Das sieht Franjo Grotenhermen anders. Vergleichsstudien zwischen natürlichem und synthetischem THC gebe es noch nicht, zumindest nicht aus Deutschland. Hier sei nicht nur der Konsum, sondern auch die Erforschung der Wirkung von Cannabis untersagt.

Eine US-amerikanische Studie im Auftrag des Weißen Hauses ist jetzt zu dem Schluß gekommen, daß in Marihuna enthaltene Stoffe gegen Schmerzen und Übelkeit helfen könnten. Grotenhermen zitierte eine britische Untersuchung, nach der das Oberhaus der Labour-Regierung die sofortige Verschreibungsfähigkeit von Cannabis empfahl.

Gerhard Müller-Schwefe ist Präsident des „Schmerztherapeutischen Kolloquiums“. Er hält die Argumente gegen eine Freigabe für Augenwischerei: „Es ist höchste Zeit, daß rationales Denken in dieser Sache einsetzt.“ Schon der Begriff „Betäubungsmittel“ sei irreführend, weil Cannabis nicht betäube. Auch sei fraglich, ob Cannabis abhängig mache. Darüber entscheide ausschließlich die Dosierung. Richtig eingesetzt könne eine Suchtgefahr ausgeschlossen werden.

In einer Resolution forderten Müller-Schwefe und seine Mitstreiter die medizinische Nutzung von Marihuana zu erlauben. Zusammen mit 10.682 Unterschriften übergaben sie das Papier gestern der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, der Bündnisgrünen Christa Nickels.

Viel Hoffnung scheinen die Unterzeichner der „Frankfurter Resolution“ jedoch nicht in die neue Regierung zu setzen. Die wolle erst noch eine neue Studie in Auftrag geben. Das sei sinnlos, sagte Rüdiger Kriegel von der Deutschen Aids-Hilfe. Studien, welche die positive Wirkung von Cannabis belegten, gebe es genug. Die Patienten bräuchten die Hilfe jetzt.