Klitorisbeschneidung auch in Berlin

■ Gegen zwei Ärzte, die der illegalen Geschlechtsverstümmelung an Mädchen verdächtigt werden, ermittelt die Kripo. Ärztekammer und grüne Abgeordnete erstatten Anzeige

Die Kriminalpolizei ermittelt gegen zwei niedergelassene Ärzte, die Klitorisbeschneidungen an Mädchen vorgenommen haben sollen. Wie gestern Justizsprecherin Michaela Blume erklärte, wollte die Kripo die Akten im Laufe des Tages an die Staatsanwaltschaft übergeben.

In beiden Fällen hat die frauenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, Ingrid Lottenburger, Anzeige erstattet. „Ich habe von verschiedenen Frauen gehört, daß diese beiden Ärzte beschneiden“, sagt Lottenburger. Konkrete Beweise habe sie nicht. In Deutschland ist die Beschneidung von Mädchen und Frauen verboten. Die Ärztekammer hat in einem Fall Anzeige erstattet. Genitalverstümmelung verstößt gegen die ärztliche Berufsordnung, die Ärzte darauf verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben.

Einer der Gynäkologen wurde mit versteckter Kamera aufgenommen. In dem Film erklärt er sich bereit, für 1.200 Mark den illegalen Eingriff vorzunehmen und beschreibt detailliert, wie er die Klitoris der Mädchen und teilweise auch die kleinen Schamlippen entfernt. Auch seine Mutter sei beschnitten worden, sagt der Arzt, Genitalbeschneidung sei in nordafrikanischen Ländern Tradition und deshalb legitim. Zu der Nationalität der Ärzte konnte Justizsprecherin Blume gestern nichts sagen. Das Band ist der Redaktion des ARD-Fernsehmagazins „Report“zugespielt und am Montag ausgestrahlt worden.

Die Ärztekammer kündigte gestern an, „alle Sanktionsmöglichkeiten“ auszuschöpfen. „Wir werden der Senatsverwaltung für Gesundheit vorschlagen, bis auf weiteres die Approbation ruhen zu lassen“, sagte Ärztekammerpräsident Günther Jonitz. Der Sprecher der Gesundheitsverwaltung, Christoph Abele, sagte, sobald die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehme, könne der Arzt vorläufig nicht mehr praktizieren. Auch die Ärztekammer wird untersagen, solche Eingriffe weiterhin vorzunehmen. Bei Zuwiderhandlung drohe eine Geldstrafe von 20.000 Mark, sagte Jonitz.

Die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), zeigte sich gestern entsetzt. „Ich bin davon ausgegangen, das so etwas hier nicht vorkommt“, sagte sie. Ärzte und Betroffene hätten anscheinend eine „Mauer des Schweigens“ gebaut. Das Thema sei in der afrikanischen Gemeinde immer nur am Rande diskutiert worden. John geht davon aus, daß es sich um „Einzelfälle“ handele. Vermutlich um Familien, die so traditionell gebunden seien, daß auch die zahlreichen afrikanischen Vereine von der Beschneidung nichts erführen. Auch die Afrikanische Fraueninitiative (AFI) hat bisher noch nicht von Genitalverstümmelungen in Berlin gehört. „Wir kennen nur Fälle aus Frankreich“, sagt eine Mitarbeiterin.

Lottenburger forderte erneut politisches Asyl für Frauen und Mädchen, die genital verstümmelt wurden oder davon bedroht seien. Außerdem müsse es eine ausreichende medizinische Beratung für diese Frauen geben. Julia Naumann