Der übrigblieb

Während Kirch und Berlusconi zusammengehen, kriegt einer partout keinen Fuß aufs europäische Festland: Murdoch  ■ Aus London Jürgen Krönig

Auf dem „verdammten Kontinent“ Fuß zu fassen sei viel schwerer als gedacht, flucht ein britischer Manager von Rupert Murdoch. Der Mann verlöre seinen Job, würde sein Boß von diesem Ausbruch erfahren. Murdochs Imperium wird wie ein stalinistischer Apparat geführt – undurchdringlich und extrem verschwiegen. Und die Pläne in Europa sind ein besonders heikles Thema. Bis heute hat Murdochs Pay-TV-Sender BSkyB nicht offiziell bestätigt, daß man geraume Zeit mit Frankreichs Pay-TV-Gigant Canal + verhandelt hatte – obgleich der längst zu Pressekonferenzen lud.

Wahrscheinlich dringt der 67jährige Konzernchef auf um so schärfere Verschwiegenheit, weil ihm der Vorstoß aufs Festland einfach nicht gelingen will. Während sich Leo Kirch und Silvio Berlusconi gerade auf eine umfangreiche Kooperation auf dem europäischen Festland verständigt haben, steht ihr Kollege einstweilen weiter draußen vor der Tür. Gewiß halten sie die Tür einen Spalt weit offen, wie sie erklärten – Murdoch könnte bei Kirch einsteigen. Doch eine Minderheitsbeteiligung wie Berlusconi reicht ihm nicht.

Murdochs Besitztümer auf dem Kontinent sind bislang recht dürftig. Vielleicht fängt er deshalb nichts Rechtes mit ihnen an. Etwa mit dem Kölner Sender Vox. Viele hundert Millionen wolle er investieren, erzählte Murdoch letztes Jahr dem um ihn buhlenden NRW-Premier Wolfgang Clement – seitdem hörte man nichts mehr davon. Und warum Murdoch zu Jahresende die Münchner Ministation TM 3 kaufte, blieb ein Rätsel.

Alle Ambitionen Murdochs auf dem Kontinent sind bislang gescheitert. Zweimal mißlang der Griff nach Fininvest, dem Konzern Berlusconis; kürzlich blockierte die Regierung in Rom einen geplanten Pakt mit Italiens Telecom. Den Einstieg bei Kirchs Digitalabenteuer DF 1 hatte Murdoch selbst platzen lassen. Das vorerst letzte Projekt scheiterte im Februar, als die Franzosen von Canal + darauf bestanden, in einer Allianz Seniorpartner zu sein.

Der Herrscher will überall Boß sein

Hier offenbarte sich einer der Gründe für das ständige Scheitern: Der Herrscher über ein weltweites Konglomerat aus Sendern, Verlagen und Zeitungen will stets Boß sein. Er ist gewohnt zu diktieren. Manche seiner Topmanager überfällt selbst nach Jahren der Arbeit für News Corp ein Zittern, wenn der Chef sich per Telefon meldet, um im Stakkatostil Anweisungen zu erteilen. Nicht nur mit einer grundsoliden Firma wie der Bertelsmann AG (mit der er auch schon kungelte), bekommt der egomane Spieler Murdoch da schnell Probleme. Mit Typen wie Kirch und Berlusconi, die ähnliche Eigenschaften aufweisen, ist es noch schwieriger. Zwar pflegte er mit beiden lange ein System wechselseitiger Minderheitsbeteiligungen zur Umgehung der jeweiligen Mediengesetze. Aber sich Murdoch unterordnen, wollte keiner der beiden. Und nun geben Kirch und Berlusconi gar noch ein wenig vom klandestinen Gebaren auf, so daß ihre Firmen (mit anvisiertem Börsengang und offiziellem Beteiligungsplan) fast wie richtig seriöse Gesellschaften aussehen.

Mit Kirch und Berlusconi weiter „im Gespräch“

Murdoch aber will offenbar Mogul bleiben. „Wir werden uns das noch einmal anschauen, ob wir da einsteigen“, sagte zwar Anfang der Woche Letizia Moratti, die Chefin der News Corp Europe, die Murdoch im November für die Festlandexpansion gegründet hatte. Und in einer internen Managertagung fügte sie an, man bleibe mit Kirch und Berlusconi „im Gespräch“: „Es gibt kein Ende der Ambitionen von News Corp auf dem europäischen Markt“, beteuerte sie fast ein wenig trotzig.

Jahrelang hatte er einen großen Bogen um Europa gemacht. Murdoch, Prophet der Amerikanisierung, braucht den ungezügelten Markt. Europa mit seinen Regulierungen und den Barrieren gegen Hollywood schien ihm da lästig. Und auch in den Regierungen hat sich herumgesprochen, daß der Tycoon gern den Markt beschwört, in Wahrheit jedoch nach dem Monopol strebt. Auch in Brüssel stieß Murdoch auf Skepsis. Dabei fand er letztes Jahr eigens lobende Worte ausgerechnet für die EU- Kommission, die seine Blätter als Ausgeburt der Hölle verdammt.

Nun sind Murdoch taktische Bücklinge nicht fremd, wie sein peinliches Arrangement mit Peking beweist. Und der europäische Markt ist zu verlockend, als daß Murdoch nicht bereit sein könnte zurückzustecken. In Asien, auf das Murdoch lange setzte, sind die Aussichten unsicher geworden. In Europa dagegen wird der Werbekuchen jährlich fetter.

Doch das Klima könnte sich zu seinen Ungunsten gewandelt haben. In der EU dominieren nicht mehr Neoliberale vom Schlage der Murdoch-Freundin Thatcher, sondern Sozialdemokraten, die den Kapitalismus bejahen, aber ziviler gestalten wollen. Eben beginnen auch die Beziehungen zwischen Murdoch und Tony Blair zu vereisen. Lange hatte der Labour-Chef versucht, die Murdoch-Presse auf seiner Seite zu halten; Murdoch wiederum mußte bei dem strahlenden Sieger sein. Doch es war immer klar, daß dieses Zweckbündnis spätestens über Eu-

ropa auseinan-

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würde. Jetzt hat der Krieg begonnen, nachdem Blair sich offen für den Euro, diese „Toilettenwährung“ (Murdochs Sun) ausgesprochen hat. Zudem konnte Murdoch auch Blairs geschäftliches Entgegenkommen nicht genügen: BSkyB wurde von der Regierung zum (verlustreichen) Verkauf einer Beteiligung beim terrestrischen Digital-TV gezwungen. Zudem harrt immer noch die Übernahme des Klubs Manchester United einer Entscheidung durch die staatliche Monopolkommission. Beschließt die ein Nein oder harte Auflagen, sieht's für Murdochs britische Pläne düster aus. Um so schlimmer, daß auf dem Kontinent keine Kompensation in Sicht ist. Vielleicht denkt man bei Murdoch angesichts des Näherkommens von Kirch und Berlusconi über eine neue Strategie nach. Angeblich wird derzeit ein neuer Vorstoß in den Zeitungsmarkt erwogen. Murdoch hege immer noch Einstiegspläne beim deutschen Springer-Verlag, ist sich ein Medienanalyst in der Londoner City sicher, der oft für Murdoch gearbeitet hat. Dazu müßte sich Murdoch wieder mit Kirch arrangieren, über dessen 40-Prozent-Paket bei Springer beide schon einmal verhandelten.

„Wir müssen flexibler werden“, meint ein Murdoch-Manager. Das klingt vielleicht auch einen Hauch resignierend. Womöglich beißt sich Murdoch ausgerechnet an Europa die Zähne aus. Das wäre eine überraschende Wendung in der Saga vom bislang unaufhaltsamen Aufstieg dieses Citizen Kane. Denn für Murdoch ist Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt.