Vatikan läßt Katholiken weiter zappeln

■ In Kirchenkreisen wird in Sachen Schwangerenberatung auch Skepsis geäußert. Papst will bis zur Sommerpause entscheiden. Unklar bleibt der Einfluß Ratzingers in dieser Frage

Berlin (taz) – Bischöfe und Unionspolitiker verbreiteten in den vergangenen Wochen Zuversicht, daß die katholische Kirche weiterhin in der staatlichen Schwangerenberatung bleiben wird. Ihr Optimismus wird jedoch in kirchlichen Funktionärskreisen in Frage gestellt. Die Skeptiker betrachten den Einfluß des Beratungsscheingegners Kardinal Joseph Ratzinger auf den Papst als wesentlich größer als die Optimisten.

Vor einem Jahr hatte Papst Johannes Paul II. die Deutsche Bischofskonferenz aufgefordert, in den 270 katholischen Beratungsstellen in Deutschland keinen Beratungsschein mehr auszustellen. Der Schein ist die Voraussetzung für eine straffreie Abtreibung während der ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft.

Im Februar einigten sich die Bischöfe dann endlich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Sie erarbeiteten vier Modelle, die sie dem Papst zur Entscheidung vorlegten. Das von der Mehrheit favorisierte Modell sieht vor, den Beratungsschein um einen Hilfeplan zu ergänzen, der den Frauen konkrete Unterstützung anbietet.

Zu den Optimisten gehört der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hermann Kues. Nach einem Besuch im Vatikan äußerte er den Eindruck, daß die „Argumente der deutschen Bischöfe in Rom auf fruchtbaren Boden gefallen sind“. Seine Delegation hatte unter anderem mit dem Kurienkardinal Joseph Ratzinger und dem Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano gesprochen. Sodano, der als Befürworter der Beratung samt Schein gilt, war laut Kues der Ansicht, daß das deutsche Konzept dem Lebensschutz diene. „Das nehme ich als positives Signal“, interpretierte Kues.

Seine Zuversicht beruht aber auch darauf, daß der erklärte Gegner des Beratungsscheins, Ratzinger, sich aus der Entscheidung heraushalten will. Der Kardinal hat angeblich den Papst gebeten, ihn an der Beurteilung der Modelle nicht zu beteiligen. „Ich hoffe, daß es sich dabei nicht nur um eine Taktik handelt“, sagte Kues.

Genau dies vermuten jedoch die Skeptiker in Kirchenkreisen, die lieber ungenannt bleiben wollen. Sie fürchten, daß Ratzinger sich nach außen hin heraushält, im Hintergrund aber dafür gesorgt hat, daß der Papst in seinem Sinne entscheidet. Das soll Ratzinger in privater Runde angedeutet haben. Nach Ansicht des Trierer Bischofs Hermann Josef Spital wollen die meisten seiner Kollegen die bisherige Schwangerenberatung fortsetzen. „Da es sich hier um eine politische und nicht um eine moralische Frage handelt, muß jeder nach seinem Gewissen handeln“, sagte Spital. Er hoffe, daß der Papst „jedem Bischof freistellen wird, seinen eigenen Weg zu suchen“.

Dabei zeichnet sich allerdings ein uneinheitlicher Weg innerhalb der katholischen Kirche ab. Eine erzkonservative Minderheit, darunter der Fuldaer Bischof Johannes Dyba, lehnt die Ausgabe des Beratungsscheins ab. Im Bistum Fulda geben die katholischen Stellen den Schein schon jetzt nicht mehr aus.

Alle Augen sind jetzt auf Rom gerichtet. Bis zur Sommerpause wird der Papst voraussichtlich entscheiden, ob Schwangere künftig andere Beratungsstellen aufsuchen müssen, um legal abtreiben zu können. Jutta Wagemann