Berechtigte Frage –betr.: „Ausstieg beginnt mit Powerhaus“ und Kommentar, taz hamburg vom 16.3.99

Die Frage der Existenzberechtigung des Denkmalschutzamtes drängt sich dem interessierten Beobachter in der Tat nicht erst seit gestern auf. Die Vorwürfe dürfen sich dabei allerdings nicht nur an das Amt und seine Mitarbeiter richten, sondern in erster Linie an die Politik, die ja letztendlich den Stellenwert des Denkmalschutzes in dieser Stadt bestimmt.

Lang ist die Liste der Totalverluste, d. h. Abrisse mit Zustimmung des Denkmalschutzamtes, und der aus denkmalpflegerischer Sicht äußerst fragwürdigen Sanierungen und Umnutzungen gerade historischer Industrieanlagen und Arbeitsstätten. Als Beispiele seien die HEW-Kraftwerke Neuhof und Tiefsack genannt, die beide noch über größtenteils im Original erhaltene technische Anlagen aus der Anfangszeit der Elektrifizierung der Stadt verfügten und damit Industriedenkmale außerordentlichen Ranges und weit überregionaler Bedeutung darstellten. (...)

Jüngstes Beispiel ist die von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt gebliebene Demontage des aus dem Jahre 1926 stammenden Kühlhauses Roß, des letzten noch verbliebenen Kühl-Hochhauses aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Abrißarbeiten sind in diesen Tagen beendet worden, das Denkmalschutzamt hatte zugestimmt. Die gerne als große Erfolge gefeierten Umnutzungen historischer Fabriken wecken meistens eher Assoziationen an Disneyland als an ein Industriedenkmal. Was erinnert in den Zeisehallen heute noch an eine der einstmals weltweit bedeutendsten Stätten zur Produktion von Schiffsschrauben? Die Fassaden, das Äußere, bleibt erhalten, aber der Kern, das Innere, die technischen Anlagen, das eigentliche Herz der Gebäude, verschwindet und mit ihm die Erinnerung und jede Möglichkeit, sich mit der Geschichte der Gebäude und der Menschen, die dort einst gearbeitet haben, auseinanderzusetzen. (...)

Andernorts hat sich die Einstellung zu Baudenkmälern der Industrie und Technik inzwischen grundlegend gewandelt. Im Ruhrgebiet werden ganze Zechenanlagen und Stahlwerke mit allen technischen Anlagen und Einrichtungen als Ganzes erhalten, d. h. nach der Stillegung im Ist-Zustand mit zunächst möglichst geringem Aufwand gesichert, ohne daß dabei bereits ein Konzept für eine zukünftige Nutzung vorliegt. Man ist der Meinung, daß allein der industrie-, technik- und sozialgeschichtliche Wert und die damit verbundene Bedeutung der Bauwerke für die Region und ihre Menschen einen Erhalt rechtfertigen. Ein Wert, der sich leider selten in Mark und Pfennig ausrechnen läßt.

Noch gibt es auch in dieser Stadt Bauwerke und Industrieanlagen außerordentlichen kulturhistorischen Ranges. Das Denkmalschutzamt sollte die Aufgabe haben, diese Denkmale der Nachwelt zu sichern. Die Öffentlichkeit ist aufgerufen, für diese Bauwerke Partei zu nehmen und sich zu ihrem Anwalt zu machen. Michael Berndt